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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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davon abgeleckt hatte. »Wann war denn das, mein Lieber?«
    »Das war vor deiner Zeit, meine Liebe.« Sir Peggertons Ton war eisig.
    Lady Poltney wandte sich ihren Gästen zu. »Ich erinnere mich gut an den russischen Zaren. So ein charmanter und eleganter Mann. Alexander VI. und die Zarin. Sie waren gnädigerweise sehr angetan von unserem Feuerwerk ihnen zu Ehren. Und an den preussischen König, der letztes Jahr mit seinem Juggernaut Friedrich der Große hier anlegte. So durch und durch Hohenzollern! Die ganze Familie kam an Land, um uns zu begrüßen.«
    »Selbstverständlich.« Sir Peggertons Hals schien noch einen Zentimeter länger zu werden. »Selbstverständlich kamen sie an Land, um uns zu begrüßen.«
    »Sie mussten einen Monat bei uns an Land bleiben«, fuhr Lady Poltney fort, »denn wir haben ihre Turbinen für sie saubergemacht und repariert.«
    Sir Peggerton ließ seine Mundwinkel fallen, als er die Worte saubergemacht und repariert hörte.
    »Wir haben ihnen Wartungsassistenz geboten«, korrigierte er schleppend.
    Das Mahl nahm seinen Fortgang. Regen sickerte durch das Sonnensegel und tropfte hier und da auf das Tischtuch. Wenn ein Tropfen auf Lady Poltneys Schultern fiel, schlug sie das Wasser kräftig mit der Hand weg. Endlich wurde das Dessert gebracht: Früchte mit Sahne in Glasschälchen. Zeitgleich begann das Orchester zu spielen. Es schaffte gerade einmal drei Takte von Land of Hope and Glory , bis der Posaunist sein Instrument mit lautem Scheppern zu Boden fallen ließ.
    »Zzzrrrr!!!«
    Sir Peggertons Zischen war so hasserfüllt, dass der Tamburinspieler erschrocken zurücksprang, dabei eine Trommel umriss und mit seinem Fuß durchstieß. Sir Peggerton drehte sich zum nächsten Offizier und befahl in seltsam ruhigem Ton: »Nehmt ihn nach unten und verprügelt ihn solange, bis nur noch ein Fünkchen Leben in ihm steckt. Den anderen auch!«
    Das war das Ende des Platzkonzertes. Während sie ihr Dessert verspeisten, gab es ein anders geartetes Konzert: Knutenschläge und Schmerzensschreie.
    Col zuckte zusammen, aber versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Als er einen kurzen Blick zu Riff, Lye und Dunga riskierte, sah er, dass ihre Augen vor Wut und Empörung glitzerten. Hätte jemand anderes in ihre Richtung geblickt, wäre schlagartig klar geworden, dass es sich nicht um echte Gesindlinge handeln konnte. Lye stand noch nicht einmal mehr gebeugt da; sie federte auf ihren Zehenspitzen, bereit zum Kampf.
    Endlich erreichte das Mahl sein Ende. Und als Lady Poltney noch eine Tasse einheimischen Kaffees vorschlug, verzog selbst Sir Peggerton sein Gesicht angewidert und wischte damit das Angebot vom Tisch.
    Col sprang auf. »Wir sollten uns jetzt um das Geschäftliche kümmern, wenn es recht ist. Wir brauchen eine komplette Ladung Kohlen, und wir haben schöne Antiquitäten aus der Alten Heimat im Tausch anzubieten.«
    »Antiquitäten aus der Alten Heimat?« Zum ersten Mal nahm Sir Peggerton überhaupt Notiz von Col. »Zum Beispiel?«
    »Vasen, Teppiche, Blumenkübel, Spiegel, Möbelstücke. Weiterhin Statuen, Porträts der königlichen Familie sowie königlichen Familienschmuck.«
    »Ah.« Sir Peggerton lehnte sich vor und leckte sich die Lippen, dann wandte er sich stirnrunzelnd an Victoria. »Ihr wollt Euren Familienschmuck gegen Kohlen eintauschen?«
    Victoria fand ihre Stimme wieder. »Ja.«
    »Aber wie könnt Ihr es ertragen, Euch von solchen Kostbarkeiten zu trennen?«
    Col suchte noch nach einer plausiblen Erklärung, als Victoria bereits antwortete: »Hässliches altes Zeug.«
    »Hässlich?«
    »Es hat mir schon nicht gefallen, als ich noch Königin war.«
    Sir Peggerton blinzelte und richtete sich auf. » Als ich noch Königin war ? Wie bitte? Was wollt Ihr damit andeuten?«
    Victoria war sich plötzlich ihres Fehlers bewusst. »Ich meine … also, was ich meine …«
    Albert versuchte, ihr zu Hilfe zu kommen. »Also, was sie meint ist … ähm …« Dann wusste er auch nicht weiter.
    Col suchte noch immer nach einer Ausflucht, als Lye losbrüllte: »Sie meint, sie is nicht mehr an der Macht! Wir sind jetzt die Gebieter des Juggernaut. Wir haben jetzt die Macht auf dem Juggernaut übernommen!«
    12
    Alle waren starr vor Entsetzen. Der Gouverneur und seine Frau glotzten die Scheingesindlinge an, die hinter den Topfpflanzen standen.
    »Aber ich dachte, die könnten nicht sprechen!«, brach Lady Poltney endlich das Schweigen.
    »Wir sind keine Gesindlinge. Wir sind Dreckige !« Lye griff sich

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