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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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hatte sich die Sitzordnung in der Lore geändert. Nun saßen Riff, Lye und Dunga in der Mitte des Gefährts, während sich Victoria, Albert und Col auf die Rückbank quetschen mussten; der Offizier schaute ostentativ in eine andere Richtung. Ihnen folgte eine zweite Lore, in der ein halbes Dutzend bewaffneter Soldaten Platz genommen hatten.
    Victoria senkte ihren Kopf. »Ich habe alles falsch gemacht, nicht wahr?
    »Mach dir keine Sorgen, meine Liebe«, tröstete Albert.
    »Aber ich habe es falsch gemacht.«
    »Machen Sie sich jetzt keine Gedanken«, sagte Col.
    Die Rückfahrt war eine unangenehme stumme Sache. Col war völlig in seine eigenen Gedanken vertieft, bis sie sich oben auf den Schienen des Stahlgerüsts der Sortierwanne näherten. Der massige Rumpf des Liberator verdeckte den ganzen Himmel und die angrenzende Landschaft. Die Sortierwanne lag verlassen da, nur die drei Offiziere, die bei der Gangway geblieben waren, standen trotz des Regens Wache. Offensichtlich konnten sie ihren Augen kaum trauen, als sie die bewaffneten Soldaten in der zweiten Lore erblickten.
    Die beiden Offiziere brachten die erste Lore zum Halt und sprangen eilig hinaus, um die Nähe der Dreckigen und der Klassenverräter zu meiden.
    Victoria, Albert und Col gingen über die Gangway zur Wanne, gefolgt von den drei Ratsmitgliedern. Sie schnappten einige Äußerungen der Offiziere auf: nicht nur Worte wie abnormal und Monster , sondern auch Laute der Verachtung und des Ekels.
    Kaum hatten sie die Gangway verlassen, drehte sich Lye zu den Offizieren um. In ihren Augen loderte derselbe gewalttätige Hass, den sie auch gegen Col schon gezeigt hatte. »Das is das Ende. Ihr werdet’s sehen! Dafür werdet ihr bezahlen!«, schrie sie. Ihre Stimme, die sonst immer leise und gemessen klang, schien über ein weiteres Register zu verfügen: ein tiefes heiseres. Die Offiziere sahen zu ihr hinüber und traten einige Schritte zurück.
    »So einfach werdet ihr uns nicht los!«, röhrte sie. »Wir werden euch zerquetschen! Wir werden euch vernichten!«
    Die Soldaten in der zweiten Lore hatten inzwischen ihre Waffen angelegt.
    »Genug!« Dunga griff Lye an den Schultern. »Schluss jetzt!«
    »Du hast mir gar nix zu sagen!« Lye riss sich los, stellte sich direkt an den Rand der Wanne und schüttelte ihre Fäuste. »Feiglinge! Imperialistenschweine! Wir müssen keinen Handel mit euch treiben! Wir werden uns nehmen, was uns zusteht!«
    »Halt die Klappe«, murmelte Riff leise.
    Dunga nahm Lye in den Schwitzkasten und zog sie mit Gewalt vom Rand zurück. Lye wand sich los und schloss ihrerseits ihre Hände um Dungas Hals. Riff sprang hinzu und beendete den Kampf.
    »Bring sie doch nicht auf Ideen!«, zischte sie Lye an. »Das müssen wir für uns behalten!« Lye ließ ihre Hände fallen, aber starrte Dunga weiterhin drohend an. Riff führte beide ins Innere der Wanne, in den Schatten der Transportschaufel.
    »Ich berufe eine Ratsversammlung ein«, tat sie kund. »Jetzt sofort. Auf der Brücke.«
    Sie sah Cols fragenden Blick aus dem Augenwinkel, blickte aber nicht zurück, sondern schüttelte ihren Kopf warnend. »Keine Ratgeber oder Beobachter«, sagte sie. »Nur Ratsmitglieder!«
    13
    Als Col zur Norfolk-Bibliothek zurückkehrte, umringten ihn Septimus, Orris, Quinnea, Professor Twillip und Gillabeth, um die neuesten Entwicklungen zu hören. Col versuchte, seinen Bericht nicht zu deprimierend zu gestalten.
    Aber er war deprimiert. Er war es, der Victoria und Albert überredet hatte, mitzukommen; der ihnen erklärt hatte, dass die Verhandlungen mit Botany Bay die beste Chance waren, um ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu zeigen. Nun hatten sie versagt, und das würde die Protzer noch unbeliebter machen, als sie ohnehin schon waren.
    Er konnte sich vorstellen, wie Lye die Geschehnisse dem Rat vortragen würde. Col war sich sicher, dass er eine plausible Erklärung gefunden und somit die Situation gerettet hätte, wenn Lye nicht ihren Ausbruch gehabt hätte. Aber Lye würde sich keiner Schuld bewusst sein, und er nahm auch nicht an, dass Riff oder Dunga das von ihr erwarteten. Die ganze Schuld würde Victoria angelastet werden. Vielleicht würden sie Victoria sogar beschuldigen, die Verhandlungen absichtlich zunichte gemacht zu haben. Er machte sich auch Sorgen bezüglich der Beschlüsse, die der Rat tätigen würde. Riffs Bemerkung Bring sie doch nicht auf Ideen zeigte, dass sie Lyes Bereitschaft zur Gewalt zustimmte. Vielleicht gab es ja auch keine

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