Liberator
Gibber?«
»Nein, aber ich komme trotzdem mit.«
14
Sie machten sich auf den Weg zu Dr. Blessamys Akademie auf Deck 37. Ihre Schule war zu einem Ghetto geworden, das hauptsächlich von Schuftern beiderlei Geschlechts bewohnt wurde. Die Schufter hatten in der früheren Hierarchie der Schule den untersten Platz eingenommen. Mr. Gibber und Dr. Blessamy waren die einzigen Mitglieder des Lehrkörpers, die geblieben waren.
Der Eingang der Akademie war mit Schultafeln verbarrikadiert. Auf einigen waren Karikaturen von Protzern zu sehen. Vermutlich hatten Dreckige sie an die Tafeln gezeichnet. Die Dreckigen hatten zwar bis jetzt nicht gelernt zu schreiben, aber zeichnen konnten viele von ihnen sehr gut.
Als sie sich der Barrikade näherten, erschienen etwa ein halbes Dutzend Köpfe über den Tafeln. Col erkannte Snellshott und Clatterick aus der Klasse 4a. Sie trugen noch immer ihre alten Schuluniformen, grüne Jacken mit roter Einfassung. Als sie Murgatrudd in Cols Armen entdeckten, gaben sie Pfiffe des Erstaunens von sich, öffneten die Barrikade und ließen Col und Septimus hindurchschlüpfen. Murgatrudd schnurrte weiter zufrieden vor sich hin. Die Schüler geleiteten ihre Besucher über den Schulhof zu Dr. Blessamys Büro, wo nun auch Mr. Gibber residierte.
Septimus klopfte an die Tür. Nach etwa dreißig Sekunden hörten sie jemand »Herein« rufen. Sie betraten das Büro und sahen sich Mr. Gibber gegenüber, der in gestellter Lässigkeit hinter Dr. Blessamys Schreibtisch saß, die Füße auf der Tischplatte. Der Schreibtisch war mit Laken und einer Steppdecke bezogen und schien auch als Bett zu dienen. Dr. Blessamy saß in einem Ohrensessel am anderen Ende des Zimmers. Er war bis zu den Schultern mit einer Wolldecke zugedeckt, hatte ein Kissen hinter dem Kopf und schlief mit weit offenem Mund.
»Ah, Schüler wollen mich sprechen.« Mr. Gibber knackte mit den Knöcheln, feixte und blickte dann plötzlich völlig ernst. »Porpentine, nicht wahr? Wie kann ich helfen, Porpentine?«
Col streckte seine Arme nach vorne. »Murgatrudd.«
Mr. Gibber verlor fast die Balance. Er sprang auf und drohte mit dem Finger. »Ach, Murgatrudd. Warst du wieder ungezogen? Wo bist du nur gewesen?«
Murgatrudd schaltete vom Schnurren um zu einem Geräusch wie von Feuerwerkskörpern, die kurz vor der Explosion stehen.
Mr. Gibber zog seinen Finger zurück. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht«, erzählte er Col. »Ich bin fast umgekommen vor Sorge.« Er wandte sich zu Dr. Blessamy. »Stimmt doch, oder? Fast umgekommen vor Sorge!«
Dr. Blessamy schlief tief und fest weiter. Daraufhin ergriff Mr. Gibber ein Radiergummi und zielte damit auf Dr. Blessamys Mund. Das Radiergummi traf das Kinn.
»W… w… wie spät ist es?«
»Ich sagte, fast umgekommen vor Sorge!« Mr. Gibber sprach nun lauter. »Stimmt’s?«
»Was? Wer?«
»Auf und ab gehend, unkontrolliert weinend, mir mein Haar ausreißend.« Mr. Gibber griff sich an den Kopf und riss sich ein paar einzelne rötliche Haare aus. »Na ja, vielleicht nicht mein ganzes Haar.« Er drehte sich um zu Col und Septimus. »Das würde zu weit gehen. Ein bisschen übertrieben, was?« Zum ersten Mal nahm er Kenntnis von Septimus. »Du warst doch auch in meiner Klasse!«
»Septimus Trant.«
»Ja, ich erinnere mich an einen Trant.« Er drehte sich wieder zu Dr. Blessamy. »Erinnern Sie sich an einen Trant?«
Dr. Blessamy kratzte sich am Kopf. »Was für einen Tag haben wie heute? Ist es der letzte Schultag?«
Mr. Gibber tippte sich mit dem Finger an die Stirn, um zu zeigen, dass Dr. Blessamy eine Schraube locker hatte. »Einer unserer Schüler hat sich hierher bemüht, um uns Guten Tag zu sagen. Zwei unserer Schüler. Freut Sie das?«
»Oh, ja.« Dr. Blessamy setzte sich aufrechter hin. »Sehr erfreut. Noch erfreuter als erfreut … Guten Tag sagen zu ihrem alten Schuldirektor. Sehr … sehr … ähm …«
»Erfreut.«
»Ganz genau. Meine Zöglinge. Jeder Dr. Blessamy hat die Pflicht, die Jugend zu erziehen. Zu anständigen Jungen und Mädchen zu machen.« Er schien Probleme zu haben, sich zu konzentrieren. »Sind das anständige Jungen und Mädchen, Mr. Gibber?«
Mr. Gibber streckte seinem ehemaligen Dienstherrn die Zunge heraus und drehte sich wieder zu Col und Septimus um. »Er ist aus Zuneigung zu seinen Zöglingen hier geblieben. Nennt es seine heilige Pflicht. Traurig, traurig, traurig.«
Dr. Blessamy wackelte mit dem Kopf. »Was ist traurig, Mr. Gibber?«
»Sie sind es! So wie
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