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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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ließ ihn zusammenzucken. Jemand hatte im Korridor gelacht. Er kannte dieses Lachen. Riff war auf dem Weg zu ihrer Kabine, und sie war nicht allein. Er stieg schnell vom Stuhl. Was, wenn die andere Person mit in die Kabine kam? Daran hatte er nicht gedacht! Fieberhaft sah er sich nach einem Versteck um. Der Türknauf drehte sich, und er erkannte Riffs Silhouette im Licht des Korridors.
    »Komm doch rein«, sagte sie gerade, »wir haben ja noch ’n bisschen Zeit.«
    Sein Blick fiel auf das Bücherregal. Es war hüfthoch, und dahinter befand sich ein dreieckiger leerer Raum. In drei lautlosen Sätzen hatte er das Regal erreicht und sich dahinter geduckt.
    Zwei Personen betraten den Raum.
    Col duckte sich noch tiefer, als die Deckenlampe anging.
    »Das ist also dein Zimmer.«
    Col stöhnte innerlich auf. Es war Lye.
    16
    Col hörte, wie ein Stuhl über den Teppich gezogen wurde. Auf Händen und Knien kauernd riskierte er einen Blick um die Ecke des Bücherregals. Riff saß auf dem Stuhl, der unter dem Bullauge gestanden hatte, und ihr gegenüber saß Lye auf dem Bett.
    Er konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören und fühlte Wut in sich aufsteigen. Lye hatte seinen Platz eingenommen. Warum hatte Riff sie hierhin eingeladen? Warum war Riff zu der Person, die doch ihre größte Feindin war, so freundlich? Eigenartigerweise waren beide ganz in Schwarz gekleidet. Lye saß in ihrer üblichen sehr aufrechten, irgendwie unechten Haltung auf dem Bett. Warum durchschaute Riff sie nicht?
    Seine Wut lenkte ihn ab, und so bekam er anfangs gar nicht mit, worüber sie sich unterhielten. Als er dann hinhörte, war es so, wie er erwartet hatte: Lye versuchte, sich bei Riff einzuschmeicheln. Sie sprach von einer speziellen Verbindung zwischen ihnen beiden. Es hatte zu tun mit einem längst verstorbenen Verwandten namens Arrod.
    Riff war beeindruckt. »Meinst du etwa den Arrod, der …«
    »Der am Haken nach oben gezogen wurde, um zu einem Gesindling gemacht zu werden. Genau wie bei dir. Aber er hat seine Gurte gesprengt und ist aus der Korrekturkammer geflüchtet, bevor sie ihn operieren konnten. Er konnte sich mehr als eine Woche auf den oberen Decks versteckt halten, dann haben sie ihn gekriegt. Sie haben ihm jeden Knochen im Körper gebrochen und ihn dann wieder nach Unten geschleudert.«
    »Als Warnung«, sagte Riff. »Ich kenne die Geschichte.«
    »Jeder kennt sie. Er lag im Sterben, aber er hat sich gewehrt. Drei Stunden hat er dagegen angekämpft und währenddessen jede noch so kleine Information über die Welt der Oberdecks an uns weitergegeben. Er war ein Held. Ein Märtyrer.«
    »Und dein Urgroßvater!«
    »Ja. Meine Mam hat mir die Geschichte immer und immer wieder erzählt. Es war die einzige Gutenachtgeschichte, die ich hören wollte. Er hat uns kostbare Informationen gebracht, genau wie du.«
    »Nur dass ich dafür nicht sterben musste.«
    »Aber du wärst dafür gestorben, wenn du gemusst hättest.«
    »Wäre ich?«
    Col sah Riff mit den Schultern zucken. Du musstest nicht sterben, weil ich dich die Versorgungsschütte hinab gelassen habe, dachte er. Das ist der Unterschied.
    »Niemand konnte es fassen, als du lebendig zu uns zurückkamst«, sprach Lye weiter. »Ich war bei der Versorgungsschütte. Ich war die erste, die dich gesehen hat.«
    »Daran kann ich mich gar nicht erinnern.«
    »Du hättest mich zu der Zeit auch nicht erkannt.«
    »Nicht?« Riffs Stimme hörte sich ungläubig an. »Du bist ’ne geheimnisvolle Person. Keiner weiß, wo du herkommst.«
    »Soll ich es dir erzählen?«
    »Jetzt?«
    »Ich hab’s noch nie jemand erzählt. Nicht einmal Shiv. Ich bin ein Krüppel gewesen.«
    Col hätte vor Erstaunen beinahe laut nach Luft geschnappt.
    »Erinnerst du dich an die Antriebswellen neben dem Getriebe?«, fuhr Lye fort. »Da, wo die Walzen und die Propeller ein- und ausgekuppelt werden?«
    Riff nickte. »Klar. Unter der Hauptturbine.«
    »Als ich sechs Jahre alt war, bin ich dreißig Fuß tief auf die Antriebswelle neben dem Getriebe gestürzt. Ich bin auf dem Rücken gelandet, und irgendwas ist mit meiner Wirbelsäule passiert. Gelähmt. Meine Mam ist mir hinterhergesprungen, um mich zu retten.«
    »Aber da unten ist doch alles voller Schmiere!«
    »Ja.«
    »Wie konnte sie denn wieder hochklettern?«
    »Konnte sie nicht. Ihr war das klar. Sie stand in der Rinne neben der Welle und packte mich. Mein Pa war auch runtergeklettert, er stand auf der letzten Stufe der untersten Leiter. Mam warf mich rauf zu

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