Liberator
Feinde.«
»Wie den Saboteur.«
»Er ist besessen. Er glaubt, die Sabotageakte sind der Beginn einer Konterrevolution.«
»Du nicht?«
»Natürlich nicht. Die Protzer sind doch am Ende. Es geht nicht darum, was hier auf unserem Juggernaut passiert. Es geht um eine weltumfassende Revolution. Es geht um Gerechtigkeit für jeden einzelnen Dreckigen auf jedem Juggernaut weltweit.«
»Das ist dein Traum?«
»Na, deiner etwa nicht? Ich weiß, dass wir da ähnlich sind. Die Revolution kann nicht auf den Liberator beschränkt bleiben. Du hast uns diesen Namen gegeben. Wir sind die Befreier, und wir müssen befreien.«
Riff lehnte sich angespannt nach vorn, sagte aber nichts. Was überlegte sie?
»Wir sehen alles klar, du und ich.« Lye war nicht zu stoppen. »Unser Urteil beruht auf etwas Größerem als uns selbst. Kein Wanken. Wir wissen, was getan werden muss.«
Dies war mehr, als sich bei Riff einzuschmeicheln, begriff Col. Lye saß vollkommen still und aufrecht auf Riffs Bett. Sie hatte kaum die Stimme angehoben. Trotzdem sprach sie mit einer solchen Überzeugung, dass überhaupt kein Raum für Zweifel blieb. Da war eine beinahe religiöse Leidenschaft in ihr, kalt und rein wie eine Klinge aus Eis. Es lief ihm kalt den Rücken herunter. Er widersetzte sich ihrer Intensität, obwohl er die Wirkung durchaus spürte. Er hoffte, dass Riff es ihm gleich tat.
»Eins nach dem anderen«, sagte sie gerade.
Lye widersprach nicht. »Genau. Erst einmal müssen wir den Job heute Abend erledigen. Wir sollten uns bereitmachen.«
Sie erhob sich vom Bett und stand wieder völlig gerade. Jetzt wusste Col, wieso sie sich immer so aufrecht fortbewegte. Und dass die Falten um ihre Mundwinkel von ihren chronischen Schmerzen herrührten.
Riff nickte. »Dann ruf deine Truppe zusammen und bring sie zum Waffenarsenal. Wir sollten uns für die letzten Vorbereitungen auf Deck 31 sammeln.«
Lye ging zur Tür. »Es ist einfach großartig, für die Revolution zu kämpfen.« Sie machte eine Pause. »Und an deiner Seite zu kämpfen.«
Col zählte bis zwanzig, nachdem sie den Raum verlassen hatte. Dann erhob er sich hinter dem Bücherregal.
17
»Was geht hier vor sich?«, verlangte Col zu wissen. »Die letzten Vorbereitungen wofür?
Riff wirbelte herum. Ihr Mund stand offen vor Erstaunen, und ihre Augen verengten sich vor Ärger zu dunklen Schlitzen. »Wieso versteckst du dich in meiner Kabine?«, fauchte sie.
»Ihr wollt die Kohlestation angreifen, stimmt’s?«
Riff sprang auf und stellte sich direkt vor das Bücherregal, so dass ihre Gesichter sich fast berührten. »Wieso versteckst du dich in meiner Kabine?« – »Ich wollte dich sprechen.«
»Bist du denn wirklich so bescheuert?«
Col wurde rot vor Ärger und drückte sich hinter dem Bücherregal hervor.
»Eine private Unterhaltung zu belauschen! Du solltest dich schämen!« – »Bescheuert ist, dass ich aus meinem Versteck herausgekommen bin.«
Riff schnippte mit den Fingern und drehte sich weg. Col hasste den Ausdruck private Unterhaltung . Stand sie Lye jetzt näher als ihm?
»Seit wann sind Lye und du so gute Freundinnen?«
»Das wirst du sowieso nicht kapieren!«
»Ihr tauscht Geheimnisse aus.«
»Wir sind keine Freundinnen, aber wir sind in derselben Welt aufgewachsen.«
»Du kanntest sie doch gar nicht!«
»Dieselben Erfahrungen. Dasselbe Leben. Dieselbe Geschichte.«
»Welches Leben?«
»Unsere Bräuche. Geburts- und Todesriten. Unsere Feiern zur Verpartnerung. Pfeifmelodien. Kohleschnitzereien.«
Col erinnerte sich an die Kohlefigürchen in den Schlafnischen der Dreckigen. »Ich kenne die Kohleschnitzereien.«
»Bitte? Nach den paar Stunden, die du Unten verbracht hast? Du hast doch überhaupt keine Ahnung, was sie bedeuten. Nicht mal ansatzweise!«
Es stimmte. Und Col fühlte sich wieder mal völlig außen vor. »Und was ist mit Geschichte?«, fragte er. »Haben Dreckige ihre eigene Geschichte?«
»Natürlich haben wir die. Und wir kennen unsere viel besser als ihr eure. Wir erinnern uns an Napo Leon und den Duke in Wellingtons.«
Col dachte einen Moment nach, dann verstand er. »Du meinst Napoleon Bonaparte und den Duke of Wellington.«
Riff zog die Augenbrauen zusammen. »Egal, wie du sie nennst. Du hattest keine Ahnung von ihnen, bis du in Büchern über sie gelesen hast. Wir aber haben die Geschichte von einer Generation an die nächste mündlich weitergegeben. Wir wussten, wie Napo Leon in England eingefallen ist, und wie unsere Leute den
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