Liberator
Weg vom Waffenarsenal nach oben waren. Sie trugen Waffen und sprachen leise mit aufgeregten Stimmen miteinander. Vermutlich wollten sie zum Versammlungspunkt auf Deck 31; die Transportschaufeln würden sie dort aufnehmen und unten in der Kohlestation absetzen.
Alle waren, wie Riff und Lye, ganz in Schwarz gekleidet. Auch ihre Gesichter waren geschwärzt. Das ließ sie fremd erscheinen und sollte sie im Dunkeln unerkennbar machen. Col ging ihnen soweit wie möglich aus dem Weg. Während er weiterlief, hatte er eine Idee: Wenn die Dreckigen mit ihren geschwärzten Gesichtern unkenntlich waren, dann träfe dasselbe ja auch auf ihn zu. Es war für ihn die perfekte Tarnung, um sich unter die Angriffstrupps zu mischen.
Endlich erreichte er die Bibliothek. Orris, Quinnea und Gillabeth waren schon zu Bett gegangen, während Professor Twillip und Septimus noch am großen Tisch saßen und sich über ihre Bücher beugten. Es herrschte eine geschäftige Stille.
Col streifte einen schwarzen Pullover über sein Hemd und zog sich dunkle Kniehosen an; nicht ganz das Gleiche wie die weiten Hosen der Dreckigen, aber er hoffte, es würde nicht auffallen. Dann musste er den Professor und Septimus bitten, ihm sein Gesicht schwärzen zu helfen. Der Professor hielt erst einmal gar nichts davon, seine gute Tinte für so ein nichtakademisches Unterfangen zur Verfügung zu stellen, aber seine Güte gewann dann doch die Oberhand über seine Missbilligung. Sie betupften Cols Gesicht mit in Tinte getränktem Löschpapier, bis kein helles Fleckchen mehr zu sehen war. Wenn auch vielleicht nicht hundertprozentig wie ein Dreckiger, so sah er aber gewiss nicht mehr wie ein Protzer aus.
Er machte sich auf den Weg zu Deck 31. Allerdings musste er sich zwingen, sich wie ein Dreckiger zu bewegen und vor allem seinen Blick nicht gesenkt zu halten. Doch auf Deck 31 begegnete er niemandem. Erst dachte er, die Trupps hätten sich schon auf den Weg gemacht, doch dann stellte er fest, dass sie sich in unterschiedlichen Räumen versammelt hatten. Er schaute durch den Türspalt in den Raum, in dem Dunga ihren Trupp instruierte. Auch ihr Gesicht war geschwärzt, aber er erkannte sie sofort an ihrer Stimme und den kurzen Haaren.
Sie demonstrierte gerade, wie die Gewehre funktionierten: wie ein Magazin zu laden ist, wie das Gewehr entsichert wird, die Waffe in die Schulter gepresst, angelegt und abgefeuert wird. Col erinnerte sich, wie er, Riff und Flossie erst während des Befreiungskampfes herausgefunden hatten, wie ein Gewehr zu bedienen war.
Es waren etwa dreißig Leute in Dungas Trupp. Nach einer Weile probierten die Dreckigen das soeben Demonstrierte selbst an ihren Waffen aus. Da Col kein Gewehr hatte, würde es für ihn schwieriger als gedacht werden, sich unter die Leute eines Trupps zu mischen.
Als die Übung zu Ende war, begann Dunga, die Namen der Angehörigen ihres Trupps aufzurufen. Jeder Dreckige musste, wenn er aufgerufen wurde, mit Hier antworten. Col war froh, dass er sich nicht eingeschlichen hatte. Plötzlich geriet das Ausrufen allerdings ins Stocken. »Megra … Megra? … Megra?« Wo auch immer Megra sein mochte, jedenfalls war sie nicht hier. Stimmengewirr erhob sich. »Hast du ihr Bescheid gesagt?« – »Ich dachte, das hättest du getan.« – »Hab sie nirgendwo gesehen.«
Einer rief Dunga zu: »Sollen wir sie suchen?«
Dunga schüttelte mit dem Kopf. »Keine Zeit mehr. Dann sind wir eben einer weniger.« Es war aber deutlich, dass ihr das nicht gefiel.
Während sie weiter Namen aufrief, keimte bei Col leise Hoffnung. Dunga brauchte noch eine Person, um ihren Trupp vollständig zu haben. Würde sie ihn als Freiwilligen akzeptieren? Er mochte Dunga. Und sie war ihm gegenüber … na ja, zumindest hasste sie ihn nicht. Sie gehörte wie Riff zu den Gemäßigten und brachte den Protzern einen Hauch mehr Sympathie entgegen als die anderen Ratsmitglieder. Einen Versuch war es allemal wert.
Er legte sich im Korridor auf die Lauer. Fünf Minuten vergingen, zehn Minuten … und dann war es soweit. Die Vorbereitungen waren abgeschlossen, und der Trupp strömte aus der Tür. Col beobachtete Dunga aus den Augenwinkeln, und als die Dreckigen an ihm vorbeiströmten, mischte er sich unter sie und marschierte direkt neben ihr.
»Hallo«, sagte er.
Sie blickte zu ihm hinüber. Dann zuckte sie zusammen und schien ihren Augen nicht zu trauen. »Porpentine?« Sie senkte ihre Stimme. »Was machst du denn hier?«
»Dir fehlt doch einer in deinem
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