Liberator
weitere vier Dreckige dabei, einer von ihnen mit einer Boxernase trug den Jutebeutel.
Dunga trat vor und presste ihr Ohr an die Tür einer Baracke. Einen langen Moment später nickte sie zufrieden; anscheinend herrschte innen Ruhe. Sie gab dem Mann mit der Boxernase ein Zeichen, der daraufhin den Jutebeutel auf dem Boden abstellte und eine Schraubklammer, einen Schraubenschüssel und eine lange Eisenkette herausholte. Dunga gab Col ein Zeichen, dass er assistieren sollte.
Boxernase löste die Mutter an der Klammer und zeigte dann auf den vorspringenden Rahmen, der die Tür umgab. Col verstand, nahm die Klammer und hielt sie über den Rahmen. Boxernase zog nun die Schraube mit der Rohrzange fest, bis die Klammer richtig griff.
Dunga kümmerte sich um den nächsten Teil der Operation. Sie zog die Kette durch die Klammer und um den Türgriff. Jetzt verstand Col den Plan: Nun würde niemand von drinnen die Tür öffnen können. Sie sperrten die Soldaten und Offiziere in ihrer eigenen Kaserne ein!
Und die Kette war nur der Anfang. Es gab noch einiges mehr an Ausrüstung in den Jutebeuteln. Boxernase und Col befestigten noch acht weitere Klammern an dem Rahmen. Dann griff sich Dunga eine Drahtrolle und zog den Draht kreuz und quer durch die Klammern, bis er wie ein gespanntes Spinngewebe über der Tür lag. Eine letzte Klammer befestigte das Ende des Drahts am Türrahmen.
Als Boxernase das Drahtende mit der Kneifzange abschnitt, schlug es mit einem lauten Knall gegen die Tür. Die übrigen Dreckigen hoben sofort ihre Waffen. Dunga legte ihr Ohr auf das Drahtnetz. Als sie sich aufrichtete, hielt sie den Daumen in die Höhe.
»Stocktaub!«, flüsterte sie grinsend.
Die ganze Operation hatte keine fünf Minuten gedauert. Und die verschiedenen Trupps versammelten sich schon wieder um Riff im Kasernenhof zwischen den Baracken.
»Wie Ratten in der Falle«, sagte Boxernase, der neben Col marschierte. »Da werden sie nich so schnell rauskommen.« Col grunzte, um Zustimmung zu signalisieren. Er hatte Angst, sein Protzer-Akzent könnte ihn verraten, wenn er sprach.
Jedes Fenster und jede Tür war von Drahtgeweben überzogen. Beschwingt von ihrem Erfolg, strengten die Dreckigen sich nicht mehr an, ihre Stimmen zu senken. Riff rief sie leise zur Ruhe.
»Wozu?«, wandte jemand ein. »Jetzt kann uns niemand mehr aufhalten!«
»Ruhe!«, befahlen Dunga und die anderen Truppführer. In der Stille, die nun folgte, war plötzlich ganz leise Musik zu hören. Musik? Sie schien aus Richtung der Residenz zu kommen.
»Sie machen ’ne Party«, bemerkte einer. »Aber nicht mehr lange, sage ich.« Einige lachten, andere schüttelten verdutzt ihre Köpfe. Riff schwang ihren Arm und rief: »Weiter!«
Als sie den Kasernenhof verlassen hatten, sahen sie, dass in der Residenz in der Tat gefeiert wurde. Die Fenster der oberen Stockwerke waren hell erleuchtet, und Musik schwebte durch die Luft. Aber wieso hatten sie denn vorher nichts von der Party mitbekommen?
Zwischen der Kaserne und der Residenz war der Boden flach und morastig, deshalb hielten sie sich nah an den Deich. Hier waren Holzbohlen ausgelegt, die einen Knüppeldamm bildeten. Unter dem Gewicht der Menschen gaben die Bohlen schlürfende und platschende Geräusche von sich.
Langsam wurde es heller, aber die Sonne zeigte sich noch nicht. Zu ihrer Rechten befand sich der Magazinbereich mit seinen vielen Stapeln und Haufen unterschiedlich rostiger Gegenstände. In der Dunkelheit ließ sich alles jedoch nur ganz verschwommen erkennen. Als sie näher an die Residenz kamen, wurde die Musik lauter und militärischer. Es schien keineswegs so, als ob die Party gerade zu Ende ginge, ganz im Gegenteil, jetzt verlagerte sie sich auch noch auf die Dachterrasse. Überall sah man Schatten, die bunte leuchtende Laternen trugen. Alles sehr festlich …
Die Dreckigen rannten nun fast. Jeder war sich der Gefahr bewusst, von der Dachterrasse aus entdeckt zu werden, denn nun standen auch dort oben Partygäste – Offiziere, Damen und Herren, die schrill lachten und sich lautstark unterhielten. Vermutlich sind sie betrunken, denn sonst hätten sie uns doch schon lange entdeckt, dachte sich Col.
Die Marmortreppe war nur noch ein paar Fuß entfernt, als Riff ihren Arm hob und damit das Signal zum Angriff gab.
»Jetzt! Feuer frei!«
Eine Sekunde lang begriff Col nicht, wieso er eine Männerstimme gehört hatte. Das Kommando war keineswegs von Riff gekommen! In der nächsten Sekunde sah er, wie die
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