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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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Aufstand in London gemacht haben. Dann hat der Duke in Wellingtons seine Armee auf uns gehetzt, die Franzmänner rausgeworfen und uns in den Schwarzen Lagern gefangengehalten. Sie haben uns von allen anderen abgesondert und so getan, als ob wir Tiere wären.«
    Sie hatte recht damit, dass Col nichts von der geschichtlichen Entwicklung gewusst hatte, bis er es in Büchern nachgelesen hatte. Beziehungsweise bis Professor Twillip und Septimus es in Büchern recherchiert und ihm erzählt hatten. Riff hatte damals tatsächlich nicht besonders erstaunt gewirkt, als er ihr von den Neuigkeiten berichtete. Nun verstand er auch, warum: Sie kannte die Geschichte der Dreckigen bereits.
    »Und dann kam der Tag der Großen Täuschung. Sie lockten uns in den Juggernaut. Die Dunklen Tage. Die Fünfzig Märtyrer. Der Lange Hunger. Was weißt du denn schon vom Langen Hunger?«
    Col hob die Schultern. »Nichts.«
    »Es war vor einem Dutzend Generationen, da haben die von Oben angefangen, uns mit den Haken zu fangen und raufzuholen. Vermutlich hatten sie da gerade herausgefunden, wie sie uns zu Gesindlingen umoperieren konnten. Damals wurde der Erste Revolutionsrat gebildet. Und er weigerte sich, die Maschinen weiter am Laufen zu halten. Acht Wochen lang bewegte sich der Juggernaut nicht einen Meter. Da versuchten sie, uns mit Dampfstößen anzutreiben. Ganz Unten war eine einzige brühheiße Dampfkammer. Aber wir gaben nicht auf – nicht eher, als bis sie uns völlig ausgehungert hatten. Die Menschen waren wandelnde Skelette, die auf Lumpen und Kohle herumkauten. Die Hälfte der Dreckigen is verhungert. Die Hälfte! Eintausend von uns!«
    Die Erwähnung der Gesindlinge brachte Col auf Riffs Eltern. »Du hast erzählt, dass deine eigenen Eltern mit dem Haken nach Oben gezogen worden sind, um zu Gesindlingen gemacht zu werden.«
    »Ja.« – »Warum hast du das Lye erzählt, mir aber nie?«
    »Jetzt weißt du’s ja!« Riffs Ton war aggressiv, aber sie hielt den Blick gesenkt.
    »Wie alt warst du, als es passiert ist?«
    »Bei Pa, da war ich acht. Bei Mam zehn.«
    »Schrecklich. Dann leben sie jetzt vermutlich mit den anderen Gesindlingen auf dem Gartendeck?«
    »Die leben nicht«, sagte Riff mit fester Stimme. »Nenn das nicht leben! Das ist kein Leben.«
    »Hast du versucht, sie zu finden?«
    »Sprich nicht über sie!«
    »Ich dachte ja nur …«
    »Halt die Klappe!« Riff schwang ihre Arme, als wollte sie gleich losschlagen. »Ich denke nicht an sie! Sie existieren gar nicht mehr als meine Leute, wegen dem, was ihr ihnen angetan habt! Ihr habt Idioten aus ihnen gemacht! Wage es nicht, je wieder von ihnen zu sprechen!«
    Es war wie eine Explosion aus dem Nichts. Sie hatte offensichtlich wirklich nicht auf dem Gartendeck nach ihren Eltern gesucht und hatte es auch nicht vor. Der Gedanke, dass sie Gesindlinge waren, schien für sie absolut unerträglich.
    »Okay, okay«, sagte er. »Vergiss es.«
    Das folgende Schweigen zog sich in die Länge. Riff atmete in kurzen tiefen Zügen. Als sie endlich wieder sprach, war sie fast unnatürlich ruhig.
    »So, jetzt hast du ja mit mir gesprochen. Fertig? Erledigt, wofür du gekommen bist?«
    Col fand wieder zu seiner Eingangsfrage zurück. »Werdet ihr die Kohlestation angreifen?«
    »Ja. Im Morgengrauen.«
    »Du und Lye werdet die Angriffstruppe führen?«
    »Außer Gansy wird jedes Ratsmitglied einen Trupp führen. Gansy bleibt auf dem Liberator .«
    »Kann ich bei deiner Truppe mitkommen?« Schon als er es sagte, wusste er, dass es die falsche Frage zum falschen Zeitpunkt war.
    »Wieso?« – »Um mitzukämpfen.«
    »Du bist kein großer Kämpfer.«
    »Ich kann meinen Teil beisteuern.«
    »Nicht so gut wie ein Dreckiger!«
    »Das ist unfair. Ihr lasst uns nicht mitmachen, und dann haltet ihr uns vor, dass wir nicht mitmachen.«
    »Was heißt hier unfair. Wir sind 200 Jahre bis zur Befreiung unfair behandelt worden.« Riffs Kiefer wirkte wie versteinert, und ihre Augen blickten kalt. Es war ein ähnlicher Gesichtsausdruck wie der, den Lye gehabt hatte, als sie den Tod ihrer Eltern beschrieb. Col war klar, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu diskutieren.
    Er verließ die Kabine mit einem förmlichen Gruß. Aber er hatte die Idee mitzumachen noch lange nicht aufgegeben. Ein Protzer konnte für die Dreckigen sehr wohl von Hilfe sein, und er war entschlossen, das unter Beweis zu stellen.
    18
    Auf seinem Weg nach unten zur Norfolk-Bibliothek begegnete Col Angehörigen der Angriffstrupps, die auf dem

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