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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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Laternen auf der Dachterrasse sich in einer Reihe formierten und ihr Licht auf die Dreckigen richteten. Und noch eine Sekunde später war das Scheppern von Metall aus dem Magazin zu hören. Zehn oder zwanzig Soldaten warfen dort ihre Tarnung zur Seite und legten die Gewehre an. Auf der anderen Seite kamen immer mehr Köpfe hinter dem Deich zum Vorschein. Dann begann das Schießen. Sie feuerten aus allen Rohren – es war wie ein rollender Donner. Kugeln flogen durch die Luft und trafen Fleisch und Knochen. Dreckige schrien und stolperten und fielen zur Erde.
    Sie waren die Ratten in der Falle!
    20
    Nur Riffs Geistesgegenwart bewahrte sie vor dem totalen Massaker.
    »Runter!«, schrie sie. »Greift euch die Holzbohlen vom Knüppeldamm!«
    Sie warfen sich auf die Erde, rissen die Bohlen aus dem saugenden Morast und setzten sie wie einen Palisadenzaun vor sich in den Matsch.
    »Auf beiden Seiten! Auf beiden Seiten!«, hörte Col Dunga brüllen.
    Sie zogen die Bohlen durch den Matsch und errichteten mit ihnen auf der rechten und der linken Seite Palisaden. Nun waren sie etwas besser geschützt, allerdings waren ihre schnell errichteten Unterstände nicht miteinander verbunden. Das anfängliche Sperrfeuer hatte unterdessen nachgelassen.
    Sie haben uns erwartet, dachte Col. Die Baracken, die wir verbarrikadiert haben, waren leer! Er stützte eine Bohle mit den Armen, eine andere mit seiner Schulter. Im selben Unterstand kauerten oder knieten Dunga, Boxernase und zwei weitere Dreckige. Die Bohlen gewährten ihnen nur bis zu einer Höhe von drei Fuß Schutz.
    Die Soldaten hatten jetzt das Feuer ganz eingestellt. Sie schienen für den Moment ratlos zu sein. Von der Dachterrasse hörte man enttäuschte Rufe: »Weitermachen!« – »Gebt es ihnen!«
    Col blickte durch einen Spalt zwischen den Bohlen. Oben auf der Dachterrasse lehnten sich Offiziere sowie Herren und Damen in Zivil über die eiserne Brüstung und beobachteten den Kampf mit offensichtlichem Gefallen. Die Offiziere leuchteten mit ihren Lampen hier- und dorthin, während die Damen und Herren an ihren Drinks nippten und Party-Snacks knabberten.
    Fatalerweise boten die Lücken zwischen den Bohlen nicht nur die Möglichkeit, herauszuschauen; auch die Offiziere hatten sie entdeckt und gaben ihre Anweisungen an die Soldaten: »Zielt auf die Lücken, Jungs! Pickt sie euch heraus. Zeigt, was für Scharfschützen ihr seid!«
    Das Feuer setzte wieder ein, dieses Mal präziser. Kugeln zersplitterten das Holz der Bohlen – und manch eine fand ihren Weg auch durch die Lücken, jedenfalls hörte man vereinzelt Schmerzensschreie der Dreckigen. Wenn sie zu vernehmen waren, applaudierten die Damen und Herren, prosteten sich zu und riefen: »Gut gemacht!« oder »Guter Schuss, Mann!«
    Das Schießen ging weiter. Und ab und an hörte man ein Stöhnen, einen Schrei, ein Jammern. Col drehte sich zu Dunga. »Wir müssen etwas unternehmen. So bekommen sie uns am Ende alle.«
    Aber Dunga hörte nicht zu, sondern fragte: »Was’n das für’n Geräusch?«
    Jetzt hörte Col es auch, es kam von der anderen Seite des Deichs. Dumpf lärmend wie das Meer …
    »Das müssen die Sträflinge sein«, sagte er.
    Dunga schien dasselbe gedacht zu haben. »Die Schießerei hat sie nervös gemacht.«
    »Hört sich an, als ob sie gleich durchdrehen«, gab Col ihr recht.
    Das Geräusch schwoll so sehr an, dass der Applaus von der Residenz nicht mehr zu hören war, wohl aber das Krack-krackkrack des Gewehrfeuers. Die Sträflinge brüllten sich die Lunge aus dem Hals. Plötzlich hatte Col einen verzweifelten Einfall.

Er wandte sich an Boxernase neben ihm. »Hast du den Jutebeutel noch bei dir?« Keine Antwort. Col sah sich selbst danach um. Und richtig, der Beutel lag neben dem Knie des Mannes. »Was dagegen, wenn ich mir den nehme?« Wieder keine Antwort. Col guckte den Mann genauer an. Er lehnte im Knien seinen Kopf gegen eine Bohle. Stützte er die oder die ihn? Col rüttelte ihn an der Schulter – und sein Kopf fiel zur Seite. Mitten auf der Stirn prangte ein Einschussloch, rund und blutig an den Rändern. Blut lief langsam an seiner Nase entlang über Mund und Kinn. Er war gestorben, ohne einen einzigen Ton von sich zu geben.
    Col schüttelte es. Wenn nicht schnell etwas geschah, würden sie alle tot sein. Er griff nach dem Jutebeutel und drehte sich zu Dunga. »Die Sträflinge«, sagte er. »Wir müssen zu ihnen und sie freilassen.«
    »Ablenkmanöver?«, grunzte Dunga.
    »Eine neue Front.«
    »Wir

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