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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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fliehen wollten. Und sie bezichtigten alle die, die anderer Meinung waren, der Feigheit. Der Liberator werde weiter mit Kohle beladen, bis jeder einzelne Bunker voll sei, sagten sie.
    Die Spannungen an Bord stiegen, und der Liberator hatte sich in einen zunehmend gefährlichen Ort verwandelt. Wenn sie den furchtbaren Geschichten der Flüchtlinge aus anderen Ghettos lauschten, schätzten sich Col und seine Familie und Freunde glücklich, in der Bibliothek untergekommen zu sein. Aber eine Nacht änderte alles. Nun war selbst die Norfolk-Bibliothek nicht mehr sicher.
    Es begann mit einem Klopfen an der Eingangstür. Col hatte wach gelegen und gegrübelt. Da alle anderen schon schliefen, stand er auf und öffnete. Augenblicklich wurde ein Fuß in den Spalt gestellt. Col stellte seinen eigenen Fuß gegen die Tür, damit sie nicht noch weiter aufging. Und er sah sich einer jungen Dreckigen gegenüber, einem Mädchen mit roter Armbinde. Eine ältere Dreckige stand hinter ihr, außerdem ein Sträfling mit roter Armbinde.
    »Wir wolln uns umsehen«, sagte das Mädchen.
    »Wo?«
    »Drinnen.«
    »Das ist zu spät jetzt, alle schlafen schon«, sagte Col. »Kommt morgen früh wieder.«
    Das Verhalten des Mädchens signalisierte schon eine gewisse Bedrohung, doch das Paar hinter ihr wirkte wirklich gefährlich.
    »Wir kommen jetzt rein«, knurrte der Sträfling und schob das Mädchen beiseite.
    In dem Moment, als sie ihren Fuß aus der Türöffnung zurückzog, knallte Col die Tür zu und ergriff die Klinke mit beiden Händen, um zu verhindern, dass sie niedergedrückt wurde.
    »Was ist los? Wer ist da draußen?« Von überall in der Bibliothek eilten Menschen herbei.
    Die Klinke bewegte sich, und die ganze Tür wackelte bedrohlich. Doch schon im nächsten Moment stand Gillabeth neben Col, griff nach dem Schlüssel und drehte ihn im Schloss.
    »So«, sagte sie. »Keine Besucher heute Nacht!«
    Aber so schnell wurden sie die ungebetenen Besucher nicht los. Sie schrien ihnen von draußen Drohungen zu und traten immer wieder gegen die Tür. Gillabeth wandte sich an die Bibliotheksbewohner, die nun alle wach waren und im Halbkreis um sie herumstanden. Sie hielt einen Finger an die Lippen, und von da ab gab keiner auch nur einen einzigen Laut von sich.
    Endlich kehrte vor der Tür wieder Ruhe ein. Weder Col noch Gillabeth trauten sich nachzugucken, ob die Luft rein war. Die Bibliotheksbewohner saßen auf Matratzen oder auf dem nackten Boden. Einige begannen sich leise zu unterhalten, aber aller Augen kehrten immer wieder ängstlich zur Tür zurück. Es war klar, dass heute Nacht nicht mehr an Schlaf zu denken war.
    »Ich könnte Witze erzählen«, bot sich Orris an. »Ich habe in letzter Zeit welche geübt. Ich glaube, dass würde die Leute aufheitern.«
    Unter anderen Umständen wäre schon der bloße Gedanke, dass Orris Witze erzählen wollte, komisch gewesen – aber jetzt lockte er nicht ein einziges Lächeln hervor.
    »Ich will nicht aufgeheitert werden«, sagte Quinnea.
    »Manche sind aber wirklich komisch.«
    Quinnea schüttelte ihren Kopf. »Danke, aber nein, mein Lieber.«
    Etwa eine Stunde später kehrten die Möchtegern-Besucher mit Verstärkung zurück. Geschrei und das Fußgetrappel von bestimmt zwanzig Personen näherte sich der Bibliothek.
    »Matratzen!«, befahl Gillabeth mit sehr lauter Stimme. »Schnell!«
    Septimus half ihr mit der ersten Matratze. Sie trugen sie durch den Raum und stellten sie hochkant gegen die Tür, gerade als die ersten Angreifer draußen angekommen waren. Wüste Beschimpfungen waren zu hören, und gewaltige Rammstöße setzten ein.
    In der Bibliothek begriffen viele, was Gillabeth mit der Matratze bezweckte, und schafften nun ihrerseits welche heran. Zwei, drei, vier und am Ende fünf Lagen dick waren sie schon bald gegen die Tür gestapelt. Einige der Offiziere von Deck 49 stellten sich mit ausgebreiteten Armen vor die Matratzen und hielten sie so in ihrer aufrechten Position.
    Die Gewalt gegen die Tür war sicherlich zehnmal stärker als zuvor, aber die Matratzen dämpften die Geräusche. Doch von Fäusten schien der Lärm nicht zu stammen.
    Col hob die Augenbrauen und rief zu Gillabeth hinüber: »Hör doch mal!« – »Was?« – »Das sind Gewehrkolben.«
    Gillabeth nickte. »Also sind sie jetzt bewaffnet!«
    »Und wenn sie anfangen, auf die Tür zu schießen?«
    »Du meinst durch die Tür und die Matratzen hindurch?«
    »Möglich wäre es.«
    Col erwartete eigentlich, dass Gillabeth diese

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