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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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sie.
    In der Nähe der Staatskapelle bot sich ein anderes Bild. Banden von Rotarmbinden, darunter viele Sträflinge, lungerten dort herum. Col senkte seinen Kopf und ging schneller. An den ersten Gruppen kam er noch ungehindert vorbei, doch dann rief ihn einer an. »Hey! Was glaubst’n, wo du hingehst?« Col ging einfach weiter, als habe er nichts gehört. Doch jetzt wurde ein Befehl gebellt, den er nicht missachten konnte: »Stehenbleiben! Sofort!«
    Er blieb stehen und hob seinen Kopf. Er war zwar nur noch zwanzig Schritte von der Staatskapelle entfernt, aber augenblicklich wurde ihm klar, dass er nicht weiterzugehen brauchte. Die Eingangstür war durch Seile zwischen Holzpfosten abgesperrt.
    »Oh«, tat er überrascht, »wohnen Victoria und Albert nicht mehr hier?«
    »Nee. Hau ab!«
    Sie zielten spielerisch mit ihren Gewehren auf ihn. Da drehte Col sich sofort um und ging den Weg, den er gekommen war, schnell zurück.
    Die Situation war also noch brenzliger geworden. Aber was war mit Victoria und Albert geschehen? Wenn die Rotarmbinden ihnen den Weg in die Staatskapelle versperrt hatten, wohin waren sie dann gegangen? Vielleicht in die alten Staatsgemächer?
    Er durfte keine Möglichkeit außer Acht lassen. Also machte er sich zu den zwei Decks tiefer gelegenen ehemaligen königlichen Gemächern auf. Er nahm viele Umwege in Kauf, um auf nur selten benutzten Korridoren und Treppen dorthin zu gelangen.
    Als er gerade noch einen Korridor entfernt war, vernahm er hinter einer der Türen einen seltsamen Laut. Es war ein weibliches Kichern, sehr hoch und schrill, fast mädchenhaft. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, das Victoria so lachen könnte, aber von einer Dreckigen stammte der Laut ganz gewiss nicht. Leise klopfte er an die Tür. »Hallo?«
    Keine Antwort. Der gesunde Menschenverstand riet ihm, das Weite zu suchen, aber seine Neugierde war geweckt. Er drehte den Türknauf und öffnete die Tür einen kleinen Spalt. Und in eben der Sekunde, als er in den Raum blickte, fiel eine Tür am anderen Ende zu. Er steckte seinen Kopf weiter durch die Türöffnung. Wer auch immer sie war, sie hatte das Zimmer in höchster Eile verlassen.
    Der Raum war eine langgestreckte Servierkammer mit Geschirrschränken, Regalfächern und Ausgabetheken. Die Schränke waren mit feinstem Porzellan gefüllt, die Regalfächer mit Weingläsern und Karaffen, mit Platzdeckchen und Servietten. Die Flaschen und Glaskolben, die auf der Erde standen, gehörten aber nicht zur normalen Ausstattung dieser Kammer. Col nahm den penetranten Geruch von Kerosin und anderen Chemikalien wahr. Er trat einen Schritt näher. Ungefähr zwanzig Flaschen standen eng in einem Kreis, in der Mitte lag ein Taschentuch und daneben eine Zündholzschachtel. Auf den meisten Etiketten stand in großen Buchstaben FEUERGEFÄHRLICH! Er kickte die Zündholzschachtel beiseite, obgleich sie ohne menschliches Zutun gar kein Feuer entzünden konnte. Das Taschentuch war offenbar als Lunte gedacht, die in eine Flasche gesteckt werden sollte. Er hob es auf. Es war ein rosa Spitzentaschentuch – eindeutig das Taschentuch einer Dame der Oberdecks.
    Er hatte also den nächsten Sabotageakt verhindert! Es hätte nur noch eine Minute gedauert, bis die improvisierte Höllenmaschine in die Luft gegangen wäre und viele Räume in Brand gesetzt hätte. Er hatte sie wirklich in letzter Minute erwischt. Sie ! Bisher waren alle automatisch davon ausgegangen, dass es sich bei dem Saboteur um einen Mann handeln musste. Aber eine Frau … welche Dame der Oberdecks hätte auch nur die Fähigkeit, solch skrupellose Taten auszuführen?
    Offenbar die, der das Taschentuch gehörte.
    Col dachte nicht mehr an Gefahr, auch nicht daran, was mit Zeb geschehen war, sondern sprang auf, rannte zur Tür am anderen Ende des Raums und nahm die Verfolgung auf.
    36
    Auf der anderen Seite der Tür lag ein verlassener, nicht mehr genutzter Salon mit samtbezogenen Sesseln und Glastischen. Col rannte zur nächsten Tür und fand sich plötzlich in einem Hauptkorridor wieder.
    Links oder rechts?
    Während er kurz überlegte, hörte er von rechts das leise Geräusch sich schnell entfernender Schritte. Er lief den Korridor hinunter und bog nach rechts ab. Ja, jetzt hörte er die Schritte deutlicher. Und dann entdeckte er vor sich zwei bekannte Gestalten, die ihm den Rücken zuwandten: Gillabeth und Antrobus. Gillabeth? Konnte sie die Saboteurin sein?
    Col war schockiert – aber andererseits: Drei Monate

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