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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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unerklärliche Gemeinheit seines Bruders.
    Plötzlich war eine laute Stimme zu hören. »Murgatrudd! Murgatrudd!«
    Es war Mr. Gibber auf der Suche nach seinem Schoßtier. Er erschien am anderen Ende des Ganges und trug Murgatrudds Papierkorb bei sich. Als er Murgatrudd über Quinneas Schulter hinweg entdeckte, drückte er sich entschuldigend an ihr vorbei und sagte: »Du ungezogenes Ding! Einfach aus deinem Papierkorb zu türmen! Und dein Herrchen ganz allein zu lassen! Hm, Murgatrudd?«
    Murgatrudd zuckte nicht mit einem einzigen seiner Schnurrhaare. Mr. Gibber kniete sich ans Ende der Matratze und verzog sein wulstiges Gesicht zu einem Riesenlächeln.
    »Ich mache das so«, erklärte er, »denn man muss wissen, wie so ein Tier tickt. Dieser Trick funktioniert immer.« Und er stellte den Papierkorb ganz in Murgatrudds Nähe und kratzte mit den Fingernägeln am Boden des Korbes. Murgatrudd starrte weiterhin Antrobus an.
    »Aber Murgy«, seufzte Mr. Gibber, »nun zieh hier doch nicht solch eine Schau ab! Vor all diesen Leuten!«
    Wieder zu den Umstehenden gewandt, sagte er: »So, und jetzt wende ich ein bisschen Psychologie an. Dem kann er nie widerstehen.« Mr. Gibber stellte den Papierkorb vor sich auf und steckte seine Arme bis zu den Ellbogen hinein. »Ach wie gemütlich und kuschelig!«, rief er aus. »Ach, ich glaube, ich lege mich selbst hinein und halte ein Nickerchen in diesem schönen Korb!«
    Murgatrudd nahm nicht die geringste Notiz von ihm.
    Mr. Gibber rollte mit den Augen. »Heute ist er aber ein echter Angeber«, sagte er. »Liegt nur am Publikum.« Er wandte sich wieder an das Tier. »Ist gut, Murgatrudd. Du stehst also im Mittelpunkt. Alle sehen auf dich. Und weißt du, was ich mache? Ich nehme dir deinen Korb weg. Siehst du?«
    Mr. Gibber hockte sich hin und ließ dann sein Hinterteil soweit es ging in den Korb plumpsen. »Sieh mal, Murgy!«
    Er saß da, mit dem Kinn auf seinen Knien und wartete auf eine Reaktion. Nichts!
    »Immer nach Aufmerksamkeit heischen!«, schrie er. »Du hast übertrieben, Murgatrudd. Niemand ist beeindruckt. Du langweilst uns allmählich. Genug jetzt. Nichts als Effekthascherei!« Er saß noch immer in dem Korb, beugte sich nun nach vorne und kniff leicht in Murgatrudds Schwanz.
    Der Schwanz schlug hin und her, und ein Fauchen aus tiefster Kehle erfüllte den Raum: Rraurrrr !
    Mr. Gibber zog seine Hand schnell zurück. »Ist gut. Jetzt hast du mich auch noch vor allen blamiert. Dann bleib doch bei diesem … diesem Wickelkind! Du hast mich wirklich enttäuscht, Murgatrudd. Ich habe dich für reifer gehalten.«
    Er versuchte, auf die Füße zu kommen, aber der Papierkorb blieb an seinem Hinterteil hängen. Endlich hatte er sich befreit, stellte sich auf und schrie sein Schoßtier mit hochrotem Kopf an: »Du treulose Kreatur. Ich verlasse dich. Hörst du: Ich verlasse dich!«
    Als Murgatrudd nach wie vor mit keinem seiner Schnurrhaare zuckte, drehte sich Mr. Gibber zu seinen Zuschauern. »Ich verlasse ihn.«
    Er drückte sich an Quinnea vorbei und stampfte davon. Sie hörten seine Schritte sich in Richtung Bibliothekstür entfernen. Einen Moment später schlug die Tür laut zu.
    »Ich glaube, er ist nach draußen gegangen«, sagte Orris und schüttelte seinen Kopf.
    32
    Immer mehr Flüchtlinge kamen in die Bibliothek. Am nächsten Tag war es eine Gruppe aus einem kleinen Ghetto auf Deck 37: ein Silberschmied und ein Notar sowie ihre Frauen und Kinder. Mitten in der Nacht war einer von ihnen auf mysteriöse Weise verschwunden, und so hatten sie sich entschieden, Zuflucht bei einer größeren Gruppe zu suchen. Ihre Ankunft riss Col aus seiner düsteren Stimmung, und er fragte sich, wie es Victoria, Albert und ihren zwei Bediensteten wohl ging. Diese vier Personen bewohnten sicherlich das kleinste Ghetto von allen. Er machte sich auf den Weg zu ihnen in die Staatskapelle, um sie aufzufordern, in die Norfolk-Bibliothek umzuziehen. Ob sie überhaupt noch dort waren?
    Ja, sie waren alle gesund und wohlauf. Und die ganze Kapelle war von einer warmen liebevollen Atmosphäre erfüllt; Mittelpunkt des Ganzen war natürlich die schwangere Victoria.
    Als Col ihnen von der immer gefährlicher werdenden Situation berichtete, trat ihr Majordomus vor und sagte: »Das sollen die ruhig versuchen, dann bekommen sie es mit mir zu tun!«
    Die Ex-Königin lächelte. »Nein, Beddle, du kannst nicht gegen sie kämpfen, du bekommst ja morgens kaum noch deine Schnürbänder zugebunden.« Aus dem Mund

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