Liberty 9 - Todeszone
fluchte Flake.
» Was machen wir jetzt? « , fragte Kendira mit zittriger Stimme.
» Und da waren’s nur noch acht kleine Negerlein « , kam es leise von Hailey, die ganz hinten stand, und sie begann wieder die Melodie zu summen.
Kendira fror plötzlich und bekam eine Gänsehaut.
Nekia fuhr zu Hailey herum. » Hast du sie nicht mehr alle? Hör bloß auf damit! « , herrschte sie Hailey mit schriller Stimme an und drohte ihr mit der erhobenen Schulterstütze ihrer Maschinenpistole.
» Dreh du jetzt bloß nicht durch! « , beschwor auch Zeno sie. » Wir geben doch jetzt nicht auf! Irgendeinen Ausweg werden wir schon finden… wir müssen es einfach! «
Kendira schluckte krampfhaft. Schweiß brannte ihr in den Augen und Angst würgte sie. Wie blank bei ihnen allen die Nerven lagen und wie zum Zerreißen gespannt!
» Einen Ausweg gibt es in der Tat « , sagte Dusty, wenn auch sehr zögerlich. » Besser gesagt, wir haben jetzt die Wahl zwischen Pest und Cholera, und ich schätze mal, uns bleibt gar nichts anderes übrig, als uns für die Cholera zu entscheiden. Denn die Pest, die uns eingekreist hat und jetzt auch noch aus der Luft Jagd auf uns macht, ist der sichere Tod. «
» Wenn die Islander die Pest sind, was ist dann die Cholera? « , fragte Dante beklommen.
» Wir sind hier im Shadowland der Dunkelwelt, wie ihr wisst « , antwortete der Runner mit düsterer Miene. » Aber es gibt noch eine andere Welt, die noch weit dunkler, gefährlicher, abscheulicher und grausamer als alles ist, was das Shadowland zu bieten hat! «
» Und welche Welt soll das sein? « , fragte Nekia mit heiserer, gepresster Stimme.
» Die Welt der pechschwarzen Tunnel und der Tunnelratten, in die wir jetzt schnellstens hinuntersteigen müssen, wenn wir noch eine Überlebenschance haben wollen « , murmelte Dusty leise, als brächte selbst er diese Worte kaum über die Lippen. » Es ist die unterirdische Welt, die auch der Abyss genannt wird! «
TOMAMATO ISLAND
Das Handtuch, das Colinda um die Gitterstange gelegt hatte und das über Dukes Hand mit der Feile fiel, dämpfte die scharfen, sägenden Geräusche darunter beträchtlich. Dennoch erschienen sie ihr in der Stille der Nacht immer noch viel zu laut. Ihr war, als müsste man auf der ganzen Insel hören, wie sich über dem Handlauf des Geländers die Zähne des Feilenblatts durch das Metall fraßen.
» Dauert es noch lange? « , flüsterte sie nervös.
» Hab’s gleich « , beruhigte er sie. Zum Glück bestand das Gitter nicht aus soliden Stahlstangen, sondern nur aus Rohrgestänge. Oben an der Wand war die Strebe schon durchtrennt.
» Hätte mir nie träumen lassen, dass ich mal nachts um drei hier auf der Galerie stehen und dir bei einer Aktion helfe würde, bei der wir Kopf und Kragen riskieren! «
Er hob kurz den Kopf und grinste. » Sag bloß, das ist es nicht wert, um endlich den Lichttempel zu sehen? «
» Ich weiß nicht « , sagte sie, um dann mit einem schiefen Lächeln einzuräumen: » Obwohl das natürlich verlockend ist. «
» Und was riskieren wir denn schon? Im schlimmsten Fall einen Anschiss und vielleicht ein paar Strafschichten oder einen zusätzlichen Kontrollgang durch den zerstörten Meiler. «
Sie verzog das Gesicht. » Was ja wohl schlimm genug wäre. Also sieh zu, dass du… «
» Schon geschehen! « , fiel Duke ihr ins Wort. » Ich bin durch. «
Sie gab einen Seufzer der Erleichterung von sich. » Na endlich! «
Er knickte das Gitterrohr über dem Knie so eng wie möglich zusammen. Colinda nahm es ihm ab und wickelte es in das Handtuch. Später würden sie es durch den Abfallschacht in der Cafeteria mit anderem Müll verschwinden lassen.
Duke holte aus seiner Overalltasche ein Stück Schmirgelpapier hervor und glättete die scharfen Schnittkanten. Anschließend rieb er eine Mischung aus Dreck, Roststaub und altem Maschinenöl auf die Stellen, wo blankes Metall zu sehen war, das sich vom Rest des Gestänges abhob. » So, jetzt sieht es so aus, als wären das schon uralte Schnittstellen– wenn es denn überhaupt jemandem auffällt, dass hier an der Wand ein Gitterrohr fehlt, was ich bezweifle. «
» Du scheinst wirklich an alles gedacht zu haben « , sagte Colinda. Es klang anerkennend, ja fast bewundernd.
Er schwieg verlegen, wischte das Geländer um die Stellen herum sorgfältig ab und bückte sich dann nach dem schwarzen Müllsack. Darin befanden sich zwei Nylonseile und der dreifache Stahlhaken, den er in einer alten Werkstatt
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