Liberty 9 - Todeszone
zusammengeschweißt hatte, die fast nur noch als Abstellraum für eine Vielzahl alter, ausrangierter Gerätschaften benutzt wurde. Was wohl auch ein Grund war, warum man dort eine schon seit Langem ausgefallene Kamera nicht durch eine neue ersetzt hatte. Er hatte den Stahlhaken dick mit schwarzem Isolierband umwickelt, damit es nicht laut schepperte und klirrte, wenn nachher Stahl auf Stahl schlug.
Seile und Haken hatten sie im Schrank von einem der beiden Rollwagen, die mit allerlei Putzutensilien bestückt waren und von denen einer ständig irgendwo herumstand, versteckt und durch die Gänge transportiert. Sie hatten den Putzwagen schon am Abend scheinbar zufällig neben der Tür zur Galerie abgestellt– und damit direkt unter der dort in der Ecke hängenden Kamera, die selbst mit einem Weitwinkelobjektiv nicht erfassen konnte, was sie da vorhin aus dem Schrank geholt und mit hinaus auf die Galerie genommen hatten.
Duke knotete ein Ende des kürzeren Nylonseils zu einer Sicherheitsschlaufe, die er sich unter den Achseln hindurch um den Oberkörper legte. Das andere Ende befestigte er am Geländer. Der Rest war gerade noch lang genug, um auf dem Handlauf aufrecht stehen zu können, ohne dass sich das Seil zu sehr spannte.
Das zweite Seil mit dem dreifachen Haken an einem Ende hatte eine Länge von zwanzig Metern. Eine Reihe von dicken Knoten in einem Abstand von zwanzig bis dreißig Zentimetern, die beim Klettern für sicheren Halt und bessere Griffigkeit sorgen würden, durchzog das Seil.
» Ich verstehe immer noch nicht, warum das Seil so lang sein muss « , wunderte sich Colinda. » Bis zu der Galerie dort an der Ecke sind es doch höchstens sieben Meter. Also wozu die dreifache Länge? «
» Weil ich den Haken nach dem Zurückklettern sonst nicht wieder von da oben loskriegen würde. Vorher muss der Haken wieder hier unten sein und das Seil dort oben um die Geländerstange laufen. Das Seil muss quasi eine Art von Endlosschleife bilden, die wir dann von hier aus lösen und einziehen können « , sagte Duke und zwinkerte ihr zu, während er das freie Ende des Seils mehrmals locker um die Geländerstange wickelte und ihr erklärte, was sie gleich zu tun hatte.
Colinda schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. » Na klar, schon kapiert! «
Der Spalt, den er durch die herausgesägte Strebe geschaffen hatte, war nicht viel breiter als eine Unterarmlänge. Aber er genügte, um sich hindurchzuzwängen.
Colinda reichte ihm das Kletterseil mit dem Haken an.
Vorsichtig balancierte er bis zur vorderen Kante der Galerie, denn von der Wand aus war der Winkel viel zu spitz, um das Geländer der oberen Galerie mit dem Haken zu treffen. Das konnte ihm von der Gitterlücke aus nur durch einen Glückswurf gelingen– nach wer weiß wie vielen erfolglosen Versuchen. Aber den Haken viele Dutzend Mal hochzuwerfen und auf einen Glückstreffer zu hoffen, verbot sich von selbst. Wo sich eine Galerie befand, musste es auch eine Tür geben und dahinter Räume. Seinen Haken immer wieder gegen das Geländer knallen zu lassen, war deshalb der sicherste Weg, um die Aufmerksamkeit von irgendwelchen Oberen zu erregen und auf frischer Tat ertappt zu werden.
Tief unter ihm brandeten die Wellen gegen die felsigen Ufer der Insel. Es machte ihm jedoch nichts aus, in den gähnenden Abgrund zu blicken. Er war schwindelfrei– und außerdem erfüllt von der Vorfreude, in wenigen Minuten endlich den Lichttempel sehen zu können.
Als er die äußere Kante erreicht hatte, hielt er sich mit der linken Hand an einem Gitterrohr fest und beugte sich mit dem Oberkörper so weit als möglich vor. Dann nickte er Colinda zu, damit sie jetzt wie besprochen mehrere Meter Seil nachgab. Als er meinte, mit dem Haken genug Schwung erzeugt zu haben, schleuderte er ihn hinauf zum kurzen Seitengitter der oberen Galerie.
Der Haken verfehlte das Geländer um einen guten Meter, fiel in die Tiefe und pendelte aus.
» Das war wohl ein bisschen zu zaghaft « , raunte er Colinda über die Schulter zu, während er das Seil einholte, bis der Haken nur noch einen knappen Meter zum Schwingen hatte.
» Immer noch besser, als wenn er gegen das Gitter geknallt wäre. «
» Was noch kommen kann. «
Tatsächlich schlug der Haken beim zweiten Versuch gegen die seitlichen Gitterstäbe. Dank der dicken Umwicklung mit Isolierband gab es jedoch kein helles Scheppern von Metall auf Metall, sondern nur ein dumpfes, polterndes Geräusch– das sich beim dritten Versuch
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