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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
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einsichtige, gläserne Villa ließ sich durch einen einzigen Knopfdruck vollkommen einbruchsicher verschließen. Während elektrische Rollläden fast geräuschlos alle Fenster verschließen konnten, schlossen sich auch sämtliche Sicherheitstürschlösser: das zum Haupteingang, das zum hinteren Garteneingang, außerdem der Keller – und der Garagenzugang. Nur ein leises Summen verriet, was vor sich ging.
    »Cool, Knast total«, hatte Darayavahush vor ein paar Jahren mal beeindruckt gesagt, als Ernesto ihm und den anderen das Szenario an einem fröhlichen Nachmittag vorgeführt hatte. Der Sicherungsknopf befand sich in einer abschließbaren Schublade im Schreibtisch seines Vaters.
    »Und wie kommt ihr raus, wenn erst mal alles so pervertiert zu ist?«, hakte Mose mit einem nervösen Lachen nach. »Das ist ja schon recht klaustrophob hier.«
    »Es gibt einen einzigen Notausgang, der noch manuell zu bewegen ist, wenn dieser Sicherungsknopf gedrückt ist«, hatte Ernesto seinen Freunden beruhigend erklärt. Und dann hatte er ihnen den Notausgang im Keller gezeigt.
    »Warum ist es hier so dunkel?«, hauchte Liberty Bell.
    »Ich… ich bin mir nicht ganz sicher… Es… es passt alles nicht richtig zusammen«, war Ernestos gepresste Antwort. Er hatte seinen Arm fest um Liberty Bell gelegt. Keine Taschenlampe, kein Feuerzeug, kein Handy, keine Lichtquelle… Aber Restlicht war da, seine Augen mussten sich nur erst an die Dunkelheit gewöhnen. Allerdings waren die Rollläden an den Fenstern der Villa extrem blickdicht, das wusste er. Und draußen war es längst Abend geworden, viel hereinsickerndes Licht war da nicht mehr zu erwarten.
    »Komm«, flüsterte Ernesto und versuchte, seiner Stimme einen zuversichtlichen Klang zu geben. In Wirklichkeit stach ihn die Angst wie Nadeln in die Eingeweide. Langsam tasteten sie sich vorwärts. Wenn sie doch nur schon im Keller wären, wo sich die einzige, von Hand zu öffnende Tür befand, dachte Ernesto besorgt.
    »Verdammt, wenn ich nur etwas mehr sehen könnte«, murmelte er.
    »Ich… ich kann ganz gut sehen«, erklang Liberty Bells leise Stimme dicht neben ihm. »Meine Augen gewöhnen sich immer sehr schnell an die Dunkelheit.«
    Genau in diesem Moment flammte plötzlich ein Licht auf.
    »Ern?« Es war die Stimme seines Vaters.
    Ernesto und Liberty Bell fuhren herum. »Dad? Verdammt, was treibst du hier?«, rief Ernesto wütend und versuchte mit aller Kraft, die lähmende Angst, die ihm im Genick saß, von sich zu schieben.
    Dr. Merrill leuchtete sie mit einer großen, leistungsstarken Taschenlampe an, die den finsteren Flur in gespenstisches Licht tauchte. »Ernesto. Liberty Bell. Kommt bitte mit in mein Büro.«
    »Was redest du da, Dad?«, schnaubte Ernesto und versuchte, die Panik in seiner Stimme zu unterdrücken. »Wir gehen nirgendwohin. Und was soll dieser groteske Lost-Verschnitt, den du uns hier vorspielst?«
    »Mäßige deinen Ton, Ern«, sagte Dr. Merrill mit einiger Schärfe in der Stimme. »Wenn du wirklich wissen willst, was hier vor sich geht, dann komm bitte mit. Deine Mutter… sie befindet sich in diesem Moment in meinem Büro.«
    »In deinem Büro? Wie… wie ist sie dorthin gekommen? Sie war doch völlig erschöpft, als ich sie vorhin in ihr Bett getragen habe.«
    Dr. Merrill antwortete nicht. Stattdessen machte er nur eine Kopfbewegung, die unmissverständlich wirkte.
    Ernesto zögerte. Liberty Bell hatte sich hinter ihn zurückgezogen, er spürte, wie sie am ganzen Leib zitterte. Alles in ihm schrie wegzulaufen, einfach mit ihr an seinem Vater vorbeizustürmen, raus, bloß raus aus diesem entsetzlich verbarrikadierten Haus, und dann später herauszufinden, was zum Teufel hier los war.
    Aber er konnte es nicht. Er konnte doch seine Mutter nicht allein lassen.
    Dr. Merrill war vorausgefahren, ohne sich umzusehen. Er beugte sich in seinem Rollstuhl vor und schob die Tür auf.
    »Mom!«, rief Ernesto erschrocken und stolperte über die Schwelle. Seine Mutter lehnte in einem Behandlungsstuhl an der gegenüberliegenden Wand des großzügigen Raumes, ihr Gesicht war wächsern wie das einer Toten. Ihre Arme und Beine zuckten und ihre Finger waren grotesk gekrümmt. Spucke lief ihr aus dem Mund und ihre Lippen waren zu einer Grimasse verzerrt. Bräunlicher Gallensaft tropfte aus ihrem Mund. Ihr Blick war völlig abwesend.
    »Was… was ist mit ihr, Dad? Um Himmels willen, was ist mit ihr? Und sag mir, verdammt noch mal, die Wahrheit…«
    Ernestos Stimme überschlug

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