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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
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Wyludda und diesem idiotischen Krankenhausmist überfallen hatte. Vielleicht lehnte sie es einfach ab, bei diesem Arrangement aus Scheißdreck mitzumachen.
    Vielleicht war es das.
    »Hey Liberty Bell, hör doch mal, nur noch einmal …«, flüsterte Ernesto dennoch und schlug die ersten Akkorde zu Tie a yellow ribbon round the ole oak tree an.
    Er hatte sich nur die erste Strophe komplett gemerkt, die erste Strophe und den Refrain, den Liberty Bell gesungen hatte. Schlafend, halb schlafend oder wach, wer wusste das schon.
    Und da passierte es: Liberty Bell begann zu weinen. Dabei lag sie weiter so reglos da wie bisher und auch ihre Augen blieben geschlossen. Aber aus ihren Augenwinkeln kamen dünne Tränen und rannen ihr über die schmalen, blass gewordenen Schläfen.
    »Oh Liberty Bell …«, sagte Ernesto leise, mehr nicht.
    »Was heißt das, ihre Mom war gar nicht ihre Mom?«, fragte Darayavahush, der, ohne einen Blick in die Zeitung zu werfen, aus dem Haus gegangen war und die Freunde im Cedar Park traf.
    Er sah noch völlig verschlafen aus. Darayavahush brauchte eine Menge Schlaf und morgens fast immer eine Ewigkeit, bis er halbwegs unter den Lebenden zurück war.
    Ernesto fühlte sich ebenfalls bleischwer, mal wieder. Dabei war er schon seit Stunden wach, hatte im Grunde fast die ganze beschissene Nacht wach gelegen. Er dachte an den Moment zurück, gestern in der Klinik, als Liberty Bell geweint hatte. Es war ein schlechtes Timing gewesen: Nur Augenblicke später war Dr. Walther erschienen, um seine gottverdammte, tägliche Visite zu machen.
    »Ernesto? Wer hat dich denn hier reingelassen?«, fragte er wenig begeistert.
    Ernesto, der die Krankenschwester nicht in Schwierigkeiten bringen wollte, sagte vage: »Ich wollte – nur mal vorbeischauen – sehen, wie es ihr mittlerweile geht…«
    Mist, was für ein Riesenmist, dass Dr. Walther ausgerechnet in diesem Moment aufgekreuzt war. Ernesto warf Liberty Bell einen vorsichtigen Blick zu. Sie weinte nicht mehr, sie rührte sich nicht, es war, als hätte es diesen… Augenblick zwischen ihnen nie gegeben.
    Dr. Walther streifte Ernestos Gitarre mit einem Blick. Er lächelte nachsichtig. »Ern, das hier ist ein hochkomplexer Fall. Glaub uns, wir wissen schon am besten, was für das Mädchen im Moment das Richtige ist.«
    »Aber …«, sagte Ernesto.
    »Kein Aber«, unterbrach ihn der Arzt nüchtern und blieb unerschütterlich zwischen ihm und Liberty Bell stehen, bis Ernesto seinem Befehl Folge geleistet hatte.
    Aber er war nicht weit gegangen, sondern nur bis ins Büro von Bethany Bolino, die allerdings keinen Dienst hatte. Ernesto hinterließ ihr eine Nachricht, die er klein gefaltet und ohne viele Worte der diensthabenden Schwester in die Hand drückte.
    Ich habe für L. B. Gitarre gespielt! Sie hat reagiert! Sehen Sie sich Dr. Oakvilles Videoband an… Ich werde wiederkommen, egal was Sie alle sagen! E. M.
    Mose holte Ernesto wieder in die Gegenwart zurück. »Sie haben wohl die sterblichen Überreste ihrer –na ja, angenommenen Mutter im Wald entdeckt, vor zwei Wochen schon«, erklärte er gerade. Das Gras in der Parkanlage war staubtrocken, es hatte seit Tagen nicht mehr geregnet. Dalí lag wie ein schlafender, laut schnarchender Fusselberg zwischen ihnen.
    »Igitt«, war Darayavahushs einziger Kommentar.
    »Man vermutet, dass es das Mädchen selbst gewesen ist, das sie beerdigt hat. Sie hat sie unter einem Wall aus Steinen begraben. Direkt neben dieser Hütte. Wir standen also praktisch fast unmittelbar neben ihrem Skelett, als wir uns dort rumgetrieben haben. Der Steinwall war natürlich mit Pflanzen überwuchert. Darum fiel es nicht auf.«
    »Igitt«, sagte Darayavahush wieder.
    Ernesto sah in die Ferne. Er hatte die Zeitung ebenfalls gelesen.
    »Ja und jetzt sind eben die Ergebnisse der forensischen DNA-Untersuchung gekommen«, berichtete Mose und Ernesto wünschte, er würde seinen Mund halten. Klar, auch wenn er schwieg, würde sich an den Tatsachen nichts ändern, aber es machte ihn traurig und wütend, sie wieder und wieder zu hören. Auch seine Eltern hatten beim Frühstück darüber gesprochen. Wunder über Wunder, dass sie überhaupt miteinander frühstückten. Und dabei sprachen.
    »Das Skelett stammt von einer Annabelle Lyford aus Los Angeles«, hatte seine Mutter gesagt und in ihrem Tee herumgerührt. Sie lebte von Luft zu den Mahlzeiten, wenigstens schien es Ernesto so. »Sie haben sie anhand von alten Röntgenaufnahmen ihres Kiefers

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