Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
Vom Netzwerk:
Gier roch. So wie alle Männer eben rochen.

10
    M al im Ernst, Ern«, sagte Jaden eindringlich. »Es tut mir wirklich leid, dass ich mit Cal da draußen war. Ich – ich hätte meinen Mund halten sollen. Aber du musst zugeben, dass die ganze Angelegenheit auch sonst ans Licht gekommen wäre, irgendwie…«
    Ernestos Gesicht blieb verschlossen und zornig. Jaden hatte ihn um diese Aussprache gebeten, ganz am Ende des Cedar Parks, während die anderen auf ihrer angestammten Chillwiese warteten.
    »Vielleicht auch nicht«, erwiderte er. »Hast du mal daran gedacht, dass bis zu diesem Moment nur wir beide, Darayavahush, Mose, Ronan und Salva von – von… dem Mädchen wussten?« Ernesto brachte es nicht über sich, sie Jaden gegenüber bei ihrem Namen zu nennen, es kam ihm zu intim, fehl am Platz für jemanden wie Jaden, vor.
    »Und ihr hättet alle geschwiegen und sie da so weiterhausen lassen?«, fragte Jaden ungläubig.
    »Warum nicht?«, gab Ernesto zurück. »Sie war glücklich dort. Es ging ihr gut. Sie hatte alles, was sie – brauchte…«
    Einen Moment saßen sie schweigend da, dann sagte Jaden: »Aber sie war völlig alleine. So richtig geil war das bestimmt auch nicht, denke ich mal…«
    Verdammt, vielleicht hatte Jaden sogar recht. Hätte Liberty Bell jahrelang so weiterleben sollen? Völlig isoliert? Völlig auf sich gestellt? Andererseits, was kam jetzt auf sie zu? Er dachte an ihre Arme, die an das Bett gefesselt waren. Die Videokamera an der Decke. Was würde passieren, wenn Dr. Walther und die anderen mit ihr fertig waren?
    »Jaden, du solltest sie jetzt mal sehen …«, presste Ernesto zwischen den Zähnen hervor. »Stumm, reglos, zwangsernährt…« Er sprang auf. »Mann, ich werde nie vergessen, wie sie da in ihrer Hütte am Boden kauerte und Cal die Kamera auf sie hielt und versuchte, sie am Arm hochzuzerren! Er hat sie behandelt, als wäre sie… als wäre sie – Schlachtvieh oder so was…«
    »Mann, Ern, ich will doch nur diesen sinnlosen Fight zwischen uns beenden«, fauchte Jaden, erhob sich ebenfalls und spuckte ins Gras.
    »Das kannst du so was von vergessen, Jad«, sagte Ernesto. »Vielleicht, wenn es – ihr besser geht. Wenn es dazu kommt, verstehst du?« Und damit ging er davon.
    »Arroganter Idiot«, murmelte Jaden wütend.
    Zwei Tage später passierten drei Dinge fast zeitgleich. Ernesto war früh zum Joggen losgegangen, weil er eine anstrengende Nacht hinter sich hatte und sich nach einem freien Kopf sehnte. Am Horizont verschmolz die Silhouette der Waldkette, die Old Town umgab, mit dem rosa Glanz der Morgendämmerung. Seine Eltern hatten sich mal wieder gestritten, seine Mutter war hinterher lange ruhelos durch das Haus gegeistert, sein Vater hatte Doktor Schiwago eingeschaltet, die Lichtreflexe des riesigen Flachbildfernsehers drangen durch das große Panoramafenster nach draußen in die sternlose Nacht, spiegelten sich in den Fenstern des Anbaus und reflektierten von dort in Ernestos Zimmer. Es war jedes Mal dasselbe, wenn sein Vater nachts fernsah. Lichtfetzen, Lichtfetzen, Lichtfetzen. Zu hören war nichts, Dr. Merrill benutzte Kopfhörer.
    Genervt bediente Ernesto den Fernbedienungsknopf, der sein Fensterrollo in Betrieb setzte. Er hasste es, bei heruntergelassenen Rollläden zu schlafen, aber das Doktor-Schiwago-Lichterstakkato war ihm auf die Nerven gegangen.
    Natasha hatte sich schließlich seiner Mutter angenommen. Er hörte ihre langsamen, bedächtigen Schritte. Und dann hatte Ernesto auf seinem mitternächtlichen Weg in die Speisekammer entdeckt, dass eine der drei Katzen seiner Mutter tot am Rand der breiten Marmorrampe ins Obergeschoss lag, zusammengekrümmt in einem See aus Erbrochenem. Himmel, schon wieder. Was war nur mit diesen Viechern los? Nicht nur, dass sie teuer waren, sie starben auch weg wie die Fliegen. Leise fluchend suchte Ernesto nach einem Putztuch, hob die Katze, die noch warm und weich war, vorsichtig an, wickelte sie in das Tuch und verstaute beides fürs Erste in Natashas Hauswirtschaftsraum. Hauptsache, seine Mutter entdeckte das neuerliche Katzenmalheur nicht schon in dieser Nacht. Obwohl sie vermutlich in der Zwischenzeit längst schlief. So war es immer, wenn Natasha kam. Sie war die Beste darin, seine Mutter zu beruhigen. Und morgen würde die Haushälterin das Tier in aller Ruhe entsorgen, wie sie es immer tat, und seine Mutter vorsichtig über den Stand der Dinge informieren. Hinterher wischte Ernesto rasch noch den Mageninhalt der toten

Weitere Kostenlose Bücher