Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
Afghanistan oder was?«
Dara schien sich äußerst unwohl zu fühlen.
»Hey, verschwindet mal besser, ihr Wichser«, rief Justin Kyriacou in aller Seelenruhe und spuckte etwas Undefinierbares in Ernestos Richtung. Es klatschte schaumig auf den Boden und sah modrig aus. War das Kautabak? Wahrscheinlich eher Reste von psilocinhaltigen Pilzen. Sie würden die leicht glasigen Blicke der beiden Brüder erklären. Ernesto gab sich Mühe, nicht das Gesicht zu verziehen.
Sonnenstrahlen kletterten über den Hang und er rief sich Sallys Worte ins Gedächtnis.
»Wir… wir wollen nicht lange stören, aber wir – suchen jemanden«, sagte er zögernd und so freundlich wie möglich.
»Such woanders, Motherfucker.« Justin sprach mit schleppender Stimme, aber ebenfalls nicht unfreundlich, wenn man mal von den Wörtern absah, die er gebrauchte, um seine Aussagen miseryartig abzurunden.
»Wollt ihr das Mädchen haben, das zu uns gekommen ist? Das mit den runden blauen Augen?«, insistierte eines der beiden kleinen Kinder beinahe hilfsbereit. Es hatte eine ähnlich nuschelige Aussprache wie Justin, aber es sah nicht verschlagen, sondern nur ungepflegt aus.
Salvador nickte ihm lächelnd zu. »Genau«, sagte er freundlich und ging in die Hocke. »Kannst du mir vielleicht sagen, wo sie ist?«
»Könnte er. Tut er aber nicht«, sagte diesmal Sam Kyriacou. »Maul halten, Booh! Verstanden?«
Sie redeten noch eine Weile hin und her, weil Justin und Sam ihnen rundheraus verboten, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Da drang plötzlich aus dem Inneren des unheimlichen Hauses undefinierbarer Lärm.
Ernesto, Salva, Dara und Mose zuckten zusammen.
»Geht euch der Arsch auf Grundeis, ja?«, prustete Justin und schlug sich auf die Knie. »Was glaubt ihr, was da drin grad passiert, he? Unsere Brüder Abel, Tiger und Dave sind nämlich schwer angetan von der Kleinen, die mal ein Braten in Rubys Röhre gewesen sein soll, ehe die spinnerte Fette plötzlich spurlos verschwand… Hat niedliche Spitztitten und so. Nicht zu glauben, dass sie Rubys Tochter sein soll.« Er zog ein paar neue Psilos aus der Jackentasche und steckte sie in den Mund.
Hinterher, auf der Heimfahrt, stritten sich Dara und Mose darüber, wer es letztendlich gewesen war, der Liberty Bell in diesem Moment gerettet hatte: Ernesto, Brian oder die alte Mrs Kryriacou, die verwirrte, betrunkene Mutter von Ruby.
»Es war Ern, keine Frage«, sagte Mose. »Mich hätte fast der Schlag getroffen, als er einfach so losstürmte zum Haus, ohne Rücksicht auf Verluste…«
»Zumal die Flinte tatsächlich geladen war, wie Ekel Justin uns bewies, indem er sie dem kleinen Miserykind aus der Hand nahm und mit ihr losballerte …«, schnaubte Dara. »Mann, das hätte böse ins Auge gehen können, ehrlich, Ern!«
Dara schaute eine Weile vor sich hin. »Aber dieser Punk-Brian war auch nicht übel. Okay, gerade fühlt er sich mies, aber selbst wenn seine Nase wirklich gebrochen ist, hat er sich wie ein Held geschlagen. Ein Kampf gegen zwei Miserys gleichzeitig: Hut ab!«
Ernesto dachte an den Moment zurück, als er ins Haus kam. Es war fast wie ein Déjà-vu gewesen, nur dass statt Jaden und Cal diesmal Abel und Tiger Kyriacou an Liberty Bell zerrten.
»Zeig uns deine Nippel, zeig uns deine Nippel …«, grölten sie im Duett. In dem stickigen, unaufgeräumten Raum roch es nach Zigarettenqualm, Schweiß und Alkohol. Ein großer Fernseher lief in ohrenbetäubender Lautstärke.
Ernesto packte Liberty Bell, der Tiger Kyriacou gerade das geblümte Kleid hochzuzerren versuchte, am Arm, während Brian Dave einen mittelgeschickten Schlag ins Gesicht verpasste und sich dafür einen nasenbruchverdächtigen Schlag von Abel einfing, der ihn zu Boden warf.
»Pfoten weg von ihr«, sagte in diesem Moment eine heisere Stimme. Es war die alte Mrs Kyriacou, die ins Zimmer gewankt kam. Noch nie hatten Ernesto, Dara und Mose eine derart dicke Frau gesehen. Nur Salva kannte sie bereits, weil sein Vater oft hier draußen war und er ihn ein paarmal begleitet hatte.
»Hi Mrs Kyriacou«, murmelte er.
»Hi Junior«, gab sie zurück. »Na, heute ohne Baz unterwegs?« Ächzend sank sie auf ein malträtiert aussehendes Sofa. »Hat eine Weile gedauert, Schätzchen«, sagte sie entschuldigend in Liberty Bells Richtung und verzog das Gesicht, als sie sah, dass Ernesto seinen Arm um sie gelegt hatte.
»Pfoten weg von ihr, hatte ich gesagt«, fauchte sie. »Und damit meine ich jeden. Das hier ist eine
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