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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
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nehmen. Gott hat uns bloß ein paar grobe, ungehobelte Bausteine zur Verfügung gestellt. Den Rest müssen wir irgendwie alleine hinkriegen. Verstehst du, was ich meine?«
    Ruby nickte langsam und Flavio nahm Anlauf für eine Frage.
    »Wer, Ruby?«, fragte er schließlich leise. Denn das hatte sie ihm nicht gesagt.
    Krähen krächzten, auf einmal schob sich die Nachmittagssonne brüsk durch die vielen Wolken und sorgte für grelle, klare Helligkeit, Bäume und Büsche waren zu riechen.
    Sie schwieg und schaute vor sich hin.
    »Willst du es mir nicht sagen? Ich – ich würde dafür sorgen, dass du vor – diesem Mann nie mehr Angst haben musst, Ruby. Er wird dir dann nie mehr etwas tun können, verstehst du?«
    »Und wenn man mir – nicht glaubt?« Das fragte sie.
    Und dann sagte sie, er habe ihr hundertfach versichert, dass niemand ihr Glauben schenken würde. Und er würde ihre Mom töten, wenn sie jemals davon erzählen würde.
    »Deine Mom töten?«, wiederholte Flavio.
    Ruby nickte, während Tränen über ihre Wangen liefen. Sie sah viel jünger aus als vierzehn in diesem Moment. »Er sagte… das sei ein – Klacks für ihn. Er… er wüsste, wie man Menschen zum Schweigen bringt. Auf die eine oder andere Weise…«
    Flavio schluckte und in dem Moment wusste er, dass er einen anderen Weg gehen musste. Den sterbenden Kindern von Hanoi konnte er nicht mehr helfen. Aber wenigstens der kleinen Ruby Kyriacou. Sie sollte sich nicht länger vor einem Mann fürchten müssen, der sie Sonne nannte, während er sie vergewaltigte, und der ihr damit drohte, ihre Mutter zu töten…
    Und für diese Mission schaffte er es, mit dem Trinken aufzuhören, einfach so. Flavio Fabiani verdankte das Ruby Kyriacou und ihrem Schicksal. Er vergaß es und sie nie.

17
    U nd was jetzt?«, fragte Dara, als sie die Lichter der Stadt in der Ferne sahen. »Klinik? Wie Baz befohlen hat?«
    »Nein«, sagte Liberty Bell da. Sie war aus ihrer Erstarrung erwacht und schüttelte den Kopf. »Nein, nicht in die Klinik. Ich gehe nicht mehr zurück. Auf keinen Fall. Egal, was alle sagen…«
    »Hey. Sie spinnt. Das geht nicht«, rief Mose hastig. »Ihr habt gehört, was Baz gesagt hat. Gesetzeslage und so. Das gäbe einen Riesenärger für uns alle.«
    »Rede doch nicht immer in der dritten Person, Mo«, sagte Ernesto und fuhr vom Highway ab.
    »Und komm außerdem nicht mit Gesetzen, Mr Meyerowitz, also wirklich! Gesetze können der größte Bockmist der Welt sein. Denk an deine Landsleute in Europa vor sechzig Jahren… Gesetze… Also wirklich!«, regte sich Dara auf.
    »Aber wohin dann?«, feuerte Mose zurück. »Etwa zu Ern nach Hause? Oh, hi Mr Merrill, machen Sie mal die Glotzpickel zu, wir wollen nur rasch einen Überraschungsgast zu Ihnen ins Rampenhaus schmuggeln. Geht auch ganz schnell … Oder wie stellt ihr euch das vor?«
    Liberty Bells Blick traf ihn wie ein Schwerthieb. »Das ist kein Spaß. Es ist nicht lustig!«, rief sie zornig und Tränen blitzten in ihren Augen. »Es geht um mein Leben! Ich bin auch ein Mensch! Keine – keine… Puppe! Ich habe ein Recht auf… auf…« Sie suchte nach Worten.
    »Selbstbestimmung?«, schlug Dara vorsichtig von hinten vor.
    »Ja! So etwas! Ich bestimme über mich! Das habe ich immer getan! Früher konnte ich machen, was ich wollte! Und jetzt? Jetzt soll ich nur noch tun, was andere sagen!«, schrie Liberty Bell außer sich vor Wut.
    Ernesto versuchte nicht, sie zu beruhigen. Verdammt noch mal, sie hatte ja recht. Es war so absolut richtig, was sie sagte. Und auch wenn unter ihren Augen wieder tiefe Schatten lagen und der Tag in Green Wood sichtbare Spuren hinterlassen hatte, Liberty Bell fing damit an, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Das hatte sie auch heute Morgen schon bewiesen, als sie es geschafft hatte, auf eigene Faust hinaus zu den Kyriacous zu fahren, und jetzt bewies sie es wieder. Für einen Moment sah Ernesto einen Hauch von Licht am Horizont. Hoffnung, dass doch noch alles in Ordnung kommen würde, irgendwie.
    Mose und Dara hinten auf der Rückbank waren verstummt. Ernesto warf Liberty Bell einen kurzen Seitenblick zu. Ihre Wut war so plötzlich verflogen, wie sie gekommen war, aber immerhin hatte sie sich nicht wieder in ihr Schneckenhaus verkrochen. Wenigstens das nicht. Stumm saß sie neben ihm und schaute vor sich hin.
    Ernestos Hochgefühl verebbte nach und nach, während er ziellos eine lange, öde Straße entlangfuhr, die durch ein Nirgendwo zu führen schien. Und dann

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