Liberty: Roman
Angst.
»Okay.« Ich begleite sie zur Rezeption. Der Nachtportier leistet Widerstand, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
»Ich muss die Aufenthaltsgenehmigung für Tansania sehen, bevor die Dame hierbleiben kann«, erklärt er.
»Hör auf mit dem Quatsch«, sage ich. »Die Frau flüchtet vor Problemen, sie braucht ein Zimmer für eine Nacht. Sag deinen Preis.« Er nennt den weißen Preis. Ich sage den schwarzen. Wir handeln und feilschen, bis wir uns in der Mitte treffen. Ich bezahle und gebe mama Knudsen den Rest meines Geldes.
»Du wirst es zurückbekommen. Von Katriina«, sagt sie.
» Tsk . Das Geld ist mir egal. Sie haben hier ein gutes Frühstück, hinterher können Sie sich ja auf den Weg machen.«
»Du erzählst Christian nichts, oder?« Ich sehe sie an. Eeehhh , die Logik der Lüge – du kannst dich so lang darin vergraben, bis du nur noch deine eigene Verwirrung siehst.
»Ich sage nichts. Ich persönlich, ich bin nicht einmal interessiert an euren Problemen«, sage ich und verlasse das Hotel. Und wo soll ich schlafen, nachdem die weiße Frau so gut wie mein ganzes Geld genommen hat? Tsk , ich ende im Guesthouse in Majengo, wo ich mit dem Motorrad direkt ins Zimmer fahren kann, liege angezogen auf dem Laken und habe hässliche Träume – die Bosheit der Matratze, die sich bei all der dreckigen Pumperei angesammelt hat, dringt direkt in meinen Körper.
DIE TRÄNEN DER LEIDENDEN
An einem Abend, an dem ich Babysitter bin, kommt Tita im Mercedes zum Larsson-Haus. Die Mädchen schlafen bereits. Ich gehe auf die Veranda.
»Hej, Tita. Sie sind nicht zu Hause. Vielleicht im Moshi Club.«
Tita hat den Motor abgestellt und das Fenster heruntergekurbelt, aber sie sagt kein Wort. Die einzige Aktivität ist die Glut ihrer Zigarette. »Was ist denn?«, sage ich und gehe zum Auto. Aus der Nähe sehe ich ihre nassen Wangen. Ich beuge mich hinein und lege ihr meine Hand in den Nacken – im Mondlicht kann ich die Ausbeulung ihres Bauches erkennen. »Was ist dein Problem?«, frage ich leise. Tita seufzt.
»Ich habe große Angst.«
»Warum?« Ich massiere ihren Nacken – er ist hart wie Stahl.
»Das Baby macht mir Angst«, sagt Tita.
»Aber wieso denn?« Tita zuckt die Achseln. »Ist es Askos Baby?«
»Ja«, sagt Tita und tätschelt meinen Arm. »Nur ruhig, es ist nicht von dir.« Ich bin traurig und erleichtert zugleich.
OPIUMEXPLOSION
Das Interesse aller Gäste an dem Opiummohn gibt mir zu denken. Ich will mich über die Pflanze informieren. Fahre rechtzeitig los, um Solja von der Schule abzuholen, parke das Motorrad und gehe auf das Schulgebäude zu.
»Halt, stopp. Wo willst du hin?«, ruft die mama hinter den Rollladenfenstern des Büros.
»Ich will Solja Larsson abholen. Aber ich bin ein bisschen früh dran.«
»Du hast auf dem Parkplatz zu warten. Du gehörst nicht aufs Schulgelände«, sagt sie sehr böse und zeigt auf den Parkplatz.
»Ich muss aber in der Bibliothek was im Lexikon nachschlagen.«
»Nein«, sagt sie.
» Tsk .« Ich gehe weiter, während sie in ihrem Büro schreit. Aber schon bin ich in der Bibliothek und schaue in einem Lexikon unter O nach. Opiummohn – ein hartes Narkotikum. Das Bild der geballten Kinderfaust und der erotischen Blüte. Man kann die Samenkapsel anritzen, und sie wird bluten. Das Blut kann abgeschabt und als Medizin oder zu religiösen Erscheinungen gegessen werden. Man kann die Samenkapsel auch in Stücke schneiden und Tee daraus kochen – und high werden. Eine Hand landet auf meiner Schulter.
»Du darfst dich hier nicht aufhalten«, sagt der Mann, dem die Hand gehört. Ich gucke auf die Hand. Sie ist schwarz.
»Es ist schlecht, wenn ein Afrikaner einen anderen Afrikaner in Unwissenheit lässt. Wir müssen wissen, wie wir für eine Verbesserung der Zustände kämpfen können«, sage ich.
»Erst musst du raus auf den Parkplatz.«
» Tsk .« Ich gehe zum Motorrad, warte. Sobald ich mit Solja zu Hause bin, sagt Katriina, Tita hätte schon wieder Probleme mit einer Steckdose. Marcus soll kommen und sie reparieren. Eeehhh , sofort fahre ich zu den Festlichkeiten, die beinahe zu einer Art von Sklaverei geworden sind, wie ich sie mir wünsche. Erst am Abend sehe ich, dass mein Mohn tot ist – die Hitze des Flachlands hat ihn umgebracht.
Beim nächsten Mal bleibe ich bis zur Dämmerung am West-Kilimandscharo und fahre bis zum Ende von Léons Blumenfeldern, damit er den Dieb nicht sehen und erschießen kann. Und ich ernte rasch die Samenkapseln – ritsch,
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