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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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große Hecke zieht sich um den Hof, der eine Unmenge Gebäude für die europäischen Landmaschinen hat, während der Neger die Erde nur mit einer Hacke bearbeiten darf, um an Nahrung zu kommen. Und was wurde mir beim Kolonialisten angeboten? Nicht ein Tropfen. Ich blicke über sein Land. Über all die Blumenfelder südlich der Farm, die Samen für die europäischen Gärten liefern. Weiter südlich und westlich gibt es Hopfen und Weizen, den bwana Wauters für die Brauerei in Arusha anbaut. Und ganz unten sehe ich das Flachland, wo die Massai mit ihren Rindern und Ziegen im Staub laufen. Eine Bewegung springt mir ins Auge – ein Pferd mit einem Reiter, dem zwei große Hunde folgen. Eeehhh – mama Knudsen; sie genießt den kolonialistischen Lebensstil. Wenn sie mich hier sieht – das führt zu Fragen nach Christian. Marcus würde zu einer Leitung zwischen zwei Telefonen, die nicht miteinander reden. Schnell starte ich die Maschine und fahre davon.
    Ich halte in der langen Einfahrt an den Eukalyptusbäumen, schneide ein paar Zweige ab und binde sie auf den Gepäckträger. Auf dem Feld gibt es die Pflanze, die er Opiummohn genannt hat. Eine hübsche rote Blume aus dünnen Blättern – sehr erotisch. Und oben, mitten in der Blüte: eine Samenkapsel, groß wie eine geballte Kinderfaust oder eine Glühbirne. Er baut sie für Firmen in Europa an, die die Samenkapseln für Blumendekorationen verwenden. Beim Koch habe ich mir feuchte Zeitungen besorgt, mit denen ich die Wurzeln einschlage, das Ganze kommt in eine Plastiktüte und dann in die Jacke. Ich fahre sehr vorsichtig, denn die Blume soll nicht sterben, aber es wird allmählich dunkel, und ich muss schneller fahren. Jetzt mit zwei Joints bhangi in meinem System. Ich könnte ebenso gut sterben, mit Chamäleon-Augen vom Wind, der die Tränen wegbläst.
    Sowie ich zurück bin, pflanze ich die Blume ein. Jonas und Katriina gucken sehr interessiert zu. »He, das ist ja Opiummohn«, sagt Katriina und lacht. Sie sind schockiert. Wieso?
    REIFEN
    Am nächsten Tag muss ich Brennholz zum Saunaschuppen schleppen, die alte Asche aus dem Ofen kehren, den Boden fegen. Am Abend werden Léon und mama Knudsen in die Sauna kommen. Auch Christian könnte auftauchen. Der Junge besucht mich abends oft in meinem Ghetto, um ein bisschen abzuhängen, während sein Vater seinen Kummer in Whisky ertränkt. Soll ich mich um die verwirrende Familienfehde der Weißen kümmern? Nein, ich weigere mich total – bei dieser Geschichte spiele ich den Neger: dumm, taub, blind und stumm. Ich wäre ein Geschenk für die Bestätigung von Vorurteilen.
    Und Christian kommt – er nimmt den Weg über das alte Feld hinter dem Haus und dann durch den Zaun. Wir rauchen Zigaretten und hören die alte Marley- LP Chances Are – sehr rockiger Sound. Und Christian wird blass in meinem Ghetto, als er das perlende Lachen seiner Mutter im Saunaschuppen hört. Bei seinem Blick kriege ich Angst, aber aus seinem Mund kommt kein Ton – allerdings will er handeln, er steht auf.
    »Was hast du vor?«, frage ich ihn. Keine Antwort. Er geht hinaus. Ich kann nicht mit, denn ich muss auf die kleine Rebekka aufpassen, die in meinem Bett schläft. Ich kann nur zusehen, wie Christian durch die Küchentür ins Haus geht und mit einer Grillgabel wieder herauskommt, mit der er direkt auf die Reifen von Léon Wauters’ Auto losgeht – auf alle vier. Platt. Christian bringt die Gabel zurück, kommt heraus und verschwindet durch das Loch im Zaun. Das Benehmen des Jungen, absolut wie das eines dummen Negers aus dem Slumviertel: Du trittst seine Gefühle mit Füßen, und die Reaktion ist nicht diplomatisch, sondern eine direkte Form von Gewalt und Zerstörung. Und Marcus kann nur auf den großen Krach warten. Ich trete auf, als Léon und Jonas nach dem Wachmann rufen.
    »Es war Christian. Er hat mich besucht und seine Mutter gehört – dann ist er in die Küche gegangen und hat eine Grillgabel geholt.«
    »Wieso hast du ihn nicht aufgehalten?«, will Jonas von mir wissen.
    »Ich dachte, er wollte seine Mutter begrüßen.«
    »Und warum hast du nicht gerufen?«
    »Ich habe ihn doch nicht gesehen, ich war mit der kleinen Rebekka in meinem Zimmer. Und als ich aus dem Fenster geguckt habe, hatte er die Gabel bereits in die Reifen gestochen.«
    »Und wieso hast du mich nicht geholt?« Léon tritt dicht an mich heran.
    »Warum nicht?« Léon Wauters schlägt mir die flache Hand ins Gesicht – PAH –, totaler Kolonialherr.
    »Léon«, sagt

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