Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
Vom Netzwerk:
ratsch, hinein in die Tasche und ab nach Moshi. Erste Chance, wenn die Larssons im Club sind und die Kinder schlafen: Ich schneide die Samenkapseln auseinander und koche sie in Wasser: Der Geschmack ist hässlich, aber mit Zucker erträglich. Und dann geht’s mit einer Raumrakete ab. Ich lege die Kassette mit dem amerikanischen Hexendoktor Jimi Hendrix ein, Crosstown Traffic . Ein Wohlbehagen im Körper und eine Explosion im Kopf, der mit wahnsinnigen Farben in sämtliche Orte und Zeiten reist.
    SCHWARZES BLUT
    BUM BUM BUM BUM . »Marcus, Marcus.« BUM BUM BUM . Mein Traum wird zerrissen, die Ghetto-Tür bebt. Tiefschwarze Nacht, aber laut – der Regen rinnt.
    »Was ist denn?«, rufe ich.
    » Bwana will dich im Haus sehen, sofort – am West-Kili ist ein Unglück geschehen«, sagt der Wachmann.
    »Ich komme«, antworte ich und schaue auf die Uhr. Es ist fünf. Sie fahren nachts Bretter nach Moshi – diese schwedischen Valmet-Traktoren, die zwei große Leiterwagen ziehen. Nachts ist es am besten, weil es weniger Verkehr gibt und die kühle Luft gut für die Motoren ist. Ich ziehe die Hose an, die Füße in die Stiefel, greife nach meiner Regenjacke. Immer sind Begleitfahrzeuge dabei – falls irgendetwas passiert, wie etwa ein Motorausfall. Dann fährt das Auto zum nächsten Telefon oder zurück ins Lager, wo das Kurzwellenfunkgerät steht. Wenn sie Moshi schon fast erreicht haben, wecken sie mich, ich muss dann die Mechaniker aus ihren Betten holen. Der Begleiter fährt sie dann raus – und ich auf dem Motorrad hinterher, um schnell Reserveteile zu organisieren, falls es notwendig ist; manchmal in Moshi, manchmal in Arusha.
    Ich gehe zum Haus. Der Fahrer des Begleitwagens steht im Regen und sieht verängstigt aus. Jonas steht auf der Veranda.
    »Du musst zum West-Kili fahren«, sagt er.
    »Ist es der Traktor?«, frage ich den Mann vom Begleitwagen. Er schüttelt den Kopf, sagt kein Wort.
    »Eine Frau sitzt zwischen den Planken fest«, sagt Jonas. »Die Polizei ist unterwegs, du musst dich also beeilen.« Der Fahrer des Traktors benutzt die Leiterwagen auch als Taxi, um sich ein paar Extraeinnahmen zu beschaffen, obwohl das verboten ist – das Projekt ist kein Taxiunternehmen. Aber was soll er machen? Er muss leben. Es ist gefährlich. Die Frauen vom West-Kilimandscharo sitzen mit ihrem Gemüse für den Markt von Moshi in der Dunkelheit auf den Planken. Wenn die Bretterlast sich verschiebt, können die Leute dazwischengeraten und eingeklemmt werden.
    »Was soll ich dort oben machen?«, frage ich Jonas.
    »Du musst dich darum kümmern. Ich habe keine Zeit. Dann rufst du mich an und berichtest mir, was passiert ist.« Jonas dreht sich um und will ins Haus gehen.
    »Und was ist mit Geld?« Er bleibt stehen, dreht sich wieder um und sieht mich an.
    »Wozu?«
    »Zum Schmieren, zum Bestechen?«
    »Wenn der Fahrer etwas Ungesetzliches getan hat, ist das kein Problem des Projekts.« Er geht hinein. Ich laufe zum Begleitauto.
    »Du musst das Motorrad nehmen«, sagt der Fahrer, nervös.
    »Wieso?«
    Er nickt in Richtung Begleitwagen. Ich schaue hinein – dort sitzt eine Frau.
    »Ich muss ins KCMC «, sagt er. »Sie hat sich zwischen den Planken den Fuß gebrochen.« Ich beuge mich hinunter zum Auto. Sie ist jung.
    »Das tut mir sehr leid, Schwester«, sage ich.
    »Danke.« Und welche Behandlung kann sie im KCMC ohne Geld bekommen? Warum besitzt Jonas nicht die Menschlichkeit, ihr Geld für den Arzt zu geben? Sie werden den Fuß mit der Kreissäge absägen. Sie kann mit einer Krücke herumhumpeln, bis sie stirbt, mit dem schlimmsten Mann im Dorf verheiratet werden, im ewigen Babylon landen wegen eines einzigen Zufalls.
    »Warte hier«, sage ich und renne zum Ghetto. Ziehe meinen Pullover unter die Regenjacke, stecke Zigaretten und Streichhölzer in die Tasche und greife in meinen Behälter – ich kann es mir nicht leisten, aber ein bisschen müsste noch da sein. Laufe zurück zum Auto und strecke den Arm hinein. »Für den Doktor«, sage ich zu dem Mädchen.
    »Danke.« Jonas brüllt aus dem Wohnzimmer: »Fahr endlich, verdammt noch mal!« Ich schicke das Begleitfahrzeug los, sage nichts, schließe das Motorrad auf, checke den Tank, starte. Verfluchter Mist. Der Regen peitscht mich. Bis Sanja, dann nach Londoroki. Weit. Der Asphalt hört auf. Das Motorrad schliddert und rutscht im Matsch. Endlich Autoscheinwerfer – eeehhh , die Polizei ist schon da. Ich halte am Straßenrand. Ein Kind schreit neben dem Polizeiwagen,

Weitere Kostenlose Bücher