Liberty: Roman
einladend und grün aus. Etwas zurückgesetzt liegen die Klassenräume, die Sporthalle, der Speisesaal für die Internatsschüler und die Wohngebäude. Ein Spielplatz für die Kleinen, ein Swimmingpool, Plätze zum Ballspielen. Die Weihnachtsferien enden erst in einigen Tagen, hier ist noch keine Menschenseele. Ich bekomme Bauchschmerzen.
»Und alles auf Englisch?«
»Ja. Aber keine Uniformen oder Ohrfeigen. Zu Beginn bekommst du Förderunterricht, damit du die Sprache schnell lernst. Es wird schon gehen.« Vater legt mir einen Arm um die Schulter.
Abends gehen wir zum Essen zu John und Miriam, den Engländern.
»Sie sind beide in Kenia geboren. John ist für den Betrieb der Plantage verantwortlich«, erklärt Vater. Die Erwachsenen trinken Gin-Tonic, ich bekomme Cola. Das Essen wird serviert. Kartoffeln und Blumenkohl zu Matsch verkocht und ein sehr totes Lamm.
»Die britische Tradition der höheren Esskultur hat dieses Tier der Leichenschändung ausgesetzt«, sagt Vater auf Dänisch zu mir.
»Schmeckt’s dir?«, erkundigt sich Miriam.
»Oh ja, sehr«, antwortet Vater. Nach dem Abendessen schwenkt John Cognac in seinem Glas. Er holt Zigarren und bietet Vater eine an. Vater nimmt sich eine Zigarre und zieht ein Feuerzeug aus der Hosentasche.
»Augenblick«, sagt John und hebt die Hand.
»Hör schon auf«, mischt Miriam sich ein und kichert albern, sie wirkt angetrunken. John greift nach einer Glocke, die auf dem Couchtisch steht, und klingelt. Der Koch erscheint im Wohnzimmer und geht rasch ein paar Schritte auf John zu, bevor er sich auf die Knie fallen lässt und die letzten drei Meter über den gebohnerten Fußboden rutscht. Gleichzeitig hebt er eine Hand mit einem Feuerzeug, entzündet es, als er unmittelbar vor Johns Armlehne zum Stehen kommt, und brennt Johns Zigarre an. Vater steckt seine Zigarre in die Hemdtasche.
»Ich rauche meine ein bisschen später«, entschuldigt er sich. »Wir müssen nach Hause und Christians Mutter anrufen.« Wir stehen auf und verabschieden uns. Vater legt mir auf dem Heimweg einen Arm um die Schulter. Wir bekommen keine Verbindung zu Mutter. Vater setzt sich und holt die Zigarre heraus. »Die spinnen, die Engländer«, sagt er.
»Augenblick!« Ich schnappe mir sein Feuerzeug, nehme Anlauf, rutsche über den Fußboden und zünde die Zigarre an. Wir grinsen.
Marcus
GOTTES STRENGE
Kolonialistisch. Der weiße Mann hat Strom im Haus und kann sich entspannt hinsetzen, wenn er sich entleert; er benutzt weiches weißes Papier, um sich die Scheiße abzuwischen. Der schwarze Mann muss sich in der Dunkelheit des Ghettoklos hinhocken, wobei ihm Kakerlaken über die Füße laufen, er muss seinen Arsch mit Wasser und der Hand waschen, und er bekommt Scheiße unter die Fingernägel. Und mein Kassettengerät wird ständig müde – Batterien sind teuer. Also nutze ich eine Leitung aus der Küche und verlege sie über das Dach des Hauptgebäudes und einen Baum bis unter mein Dach. Doch das Licht in meinem Zimmer schafft ein neues Problem.
»Wieso habe ich keine Elektrizität?«, fragt das Hausmädchen. Erst, seit sie mich als Elektriker erlebt hat, redet sie überhaupt mit mir.
»Ich will eine ordentliche Zimmerdecke«, sagt sie. »Ich kann so nicht wohnen, du guckst über die Wand, wenn ich mich umziehe.«
»Ich sehe dich nicht an.«
Sie verzieht das Gesicht.
»Sag ihnen, du willst eine Decke.«
»Du kennst doch die wazungu «, sagt sie. Nein, ich kenne sie nicht. Ich hoffe nur, dass sie besser sind als die waafrika . Nach meinem Aufenthalt bei der Tante in Majengo bin ich direkt wieder in der schwarzen Hölle gelandet. Ich habe auf der NURU -Farm des Hospitals gearbeitet, und dabei hat mich viele Monate der tansanische Pastor beobachtet. Er hat mit den kranken Lutheranern im KCMC geredet und meine Arbeit gesehen. Er hat sich mit George, dem Leiter der Farm, unterhalten. George sagt, ich bin gut. Also beschließt der Pastor, mich zu nehmen. Er wohnt in einem Missionarsstadtteil nahe dem Uhuru Hostel in Shanty Town. Er zieht von Schule zu Schule und predigt, besucht die Kranken und betet für sie.
Der Pastor bringt mich auf seine private Farm in Kahe in der Nähe der Zuckerplantage TPC . Es ist hart, er will die Arbeitskraft, einen Sklaven. Er gibt mir dreieckige Milchkartons und Brot. Ich soll aufpassen, dass die Menschen, die Mais und Bohnen anbauen, es ordentlich machen.
»Es muss gewässert werden. Das Unkraut muss weg«, sage ich zu einem Mann, der mein Vater sein
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