Liberty: Roman
um und nimmt eine. Wir zünden die Zigaretten an, rauchen schweigend und gehen auf den Platz. Die Caddies kommen uns entgegengelaufen. Emmanuel trägt die Tasche. Rogarth und ich spielen, es fällt so gut wie kein Wort. Der Kilimandscharo ist klar und deutlich zu sehen. Am sechzehnten Loch schlägt man direkt auf den Berg zu – es sieht jeden Tag anders aus, es hängt ab vom Licht und den Wolken.
Am Nachmittag gehe ich mit etwas Herzklopfen rüber zu Rasmussens. Mädchen sind unbegreiflich. Die Mutter öffnet mir.
»Ah, du bist es. Nanna ist am Pool.« Ich gehe durchs Haus. Nanna nimmt in Bikini und Sonnenbrille ein Sonnenbad. Sie fängt an, Brüste zu bekommen, und ich konzentriere mich darauf, sie nicht anzustarren.
»Hej«, sage ich.
»Hej.« Sie regt keinen Muskel.
»Ich habe mir gedacht, ein Bad zu nehmen.«
»Tja, okay«, erwidert sie. Nichts weiter. Ich lasse mein Handtuch auf einen Stuhl fallen und springe hinein. Schwimme Bahnen. Sie bleibt liegen. Ihre Mutter bringt uns Cola. Ich trinke eine. Brauche eine Zigarette. Die Mutter ist nirgendwo zu sehen.
»Rauchst du Zigaretten?«, frage ich Nanna.
»Nein, igitt.«
»Na ja, danke, dass ich … ins Wasser durfte«, sage ich mit einer Handbewegung in Richtung Pool. Ich gehe nach Hause und schlüpfe durch das Loch in der Hecke. Afrikanische Frauen gehen über den Golfplatz, auf dem Kopf tragen sie große, mehrere Meter lange Stapel Brennholz und gefüllte Wasserkrüge. Leise und gemächlich gehen sie auf den Wegen, die sich über den Fairway ziehen.
Marcus
FALSCHER MENSCH
Solja und Mika sagen zu mir: »Bist du okay? Hast du gegessen? Du darfst gern auf meinem Fahrrad fahren.« Und bwana Jonas sitzt auf der Veranda und sagt: »Hört auf, dem Jungen das Fahrrad zu geben, er macht es nur kaputt.«
Und Jonas hat Mika eine 80ccm Yamaha gekauft. Ich darf nicht darauf fahren, denn sie wurde von Jonas’ Geld gekauft. Mika will mich darauf fahren lassen, aber nicht, wenn Jonas zu Hause ist. Wenn Jonas kommt, muss ich abspringen.
Mika ist nicht in Afrika, um auf einer 80ccm zu sitzen, wenn es 350ccm’er gibt – Yamaha, rot wie Blut. Niemand ist sonst zu Hause, und Mika will damit fahren. Man muss erst einmal essen, um sie antreten zu können. Und wenn sie anspringt, dann fährt sie nicht – sie fliegt wie eine Feder, sie geht in die Höhe, und Mika liegt in der Einfahrt auf dem Rücken, die Yamaha hat Schrammen.
»Was denkst du dir eigentlich!«, brüllt Jonas; die Erde aus seinem Mund spritzt mir auf die Haut – ich werde zum Aschenbecher. »Du hättest ihn aufhalten müssen!«
Erst bin ich ein Negerjunge, der sich kein Fahrrad leihen darf, und nun bin ich ein König, der dem weißen Jungen erzählen soll, was er zu tun und zu lassen hat. Ich werde Jonas nie verstehen.
»Wenn ich nicht hier gewesen wäre, würdet ihr tot sein!«, schreit er in die Nacht hinaus, betrunken auf der Veranda. Sonst höre ich nichts. Welche Aufgaben soll ich erledigen? Ich muss raten. Das ist das Schlimmste, was mir passieren kann: eine Person zu haben, die mein Leben kontrolliert, aber nicht steuert. Es klopft an meiner Tür zum Ghetto. Ich öffne. Das Hausmädchen mit Wäsche im Arm. Ich hatte sie in den Waschkorb im Haus gelegt. Sie lässt die Wäsche los, sie fällt auf den Boden. »Ich bin nicht dein Hausmädchen«, sagt sie, »du kannst deine Wäsche selber waschen.«
»Du hast es zu waschen. Die Weißen sagen, dass du es zu machen hast.«
»Das glaube ich nicht.«
»Dann frag sie.«
»Das werde ich nicht tun.«
»Willst du, dass ich hochgehe und sie hole, damit sie hierherkommen und dir erzählen, dass du – ja, dass du meine Sachen auch zu waschen hast?« Sie verzieht das Gesicht, sammelt die Wäsche aber wieder auf. Wäscht sie.
WODKALUFT
Am Abend sind Katriina und Jonas bei irgendjemandem zum Essen eingeladen, sie nehmen Solja mit.
»Ich habe B-B-B-Bauchschmerzen«, sagt Mika, denn er will zu Hause bleiben. Sobald sie gefahren sind, feuert er die Sauna an. »Du kommst mit«, sagt er zu mir.
»Ich friere nicht«, sage ich. Aber ich gehe mit in den Schuppen, um diesen fremden Brauch auszuprobieren. Es gibt zwei Holzbänke – eine auf dem Boden und eine unter der Decke. In der Ecke steht ein Ofen, auf dem Steine liegen. Eine Höllenhitze. Schweiß bricht aus. Mika schüttet Wasser auf die Steine, der Dampf kratzt in den Lungen.
»Warte«, sagt er und geht hinaus. Kurz darauf kommt er mit einem Glas Wasser zurück. »Wenn ich das auf die Steine gieße,
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