Liberty: Roman
sagt sie und gibt mir einen Umschlag.
»Danke«, sage ich und fahre. Dollar – zusammen mit meinen paar eigenen ist es nicht genug für eine neue Stereoanlage, aber dennoch eine Hilfe, um die alte reparieren zu lassen. Ich gehe direkt zu den Indern und wechsele schwarz, nehme einen Bus zum besten Hi-Fi-Mechaniker in Arusha und liefere die tote Maschine dort ab. Bald wird das Kopiergeschäft wieder laufen und belebende Musik in meinem Ghetto spielen.
LOCKENDE KRANKHEIT
Ich sitze mit meinem Kaffee vor der Tür, und die Sonnenbrille verbirgt den roten bhangi -Blick. Eine junge Frau kommt durch meinen Vorgarten. Wenn ich in ihre Augen sehe, komme ich auf sexuelle Gedanken – eeehhh , an all das, was ich mit ihr anstellen und was meine Kopfschmerzen lindern könnte.
»Ich bin die Frau deines Bruders«, sagt sie. »Dein Bruder braucht deine Hilfe.«
Sie erzählt, er sei an der Grenze bei Holili mit Schmuggelware erwischt worden, die konfisziert wurde. Und nun soll er eine große Strafe zahlen, um aus dem Gefängnis zu kommen.
»Dein Mann ist dumm«, sage ich. »Die Polizei konfisziert nur, wenn man sie nicht genügend geschmiert hat.«
»Ja, aber wir müssen uns in der Familie gegenseitig helfen«, sagt sie und schaut direkt durch meine Sonnenbrille: »Wenn du mir hilfst, dann kann ich dir helfen – wir können uns gegenseitig helfen. Vielleicht muss dein Haus mal geputzt werden? Vielleicht soll ich dir das Bett machen, damit es hübsch aussieht? Ich könnte es sofort tun.«
Ich kann nicht einmal aufstehen und ihr eine Tasse Tee anbieten – meine Hose sähe wie ein Zelt aus. Sie ist auf diese dreckige Art frech; gefährlich für einen Mann. Als würde sie viele Krankheiten in sich tragen, und man wünschte sich auf der Stelle, sich durch ihre Papaya von diesen Krankheiten anstecken zu lassen. Aber die gesamte Nachbarschaft guckt zu. Marcus ist ein Mann, der allein in seinem Haus wohnt und zwei schwangere Freundinnen in der Stadt hat, und jetzt kommt eine einsame Frau – er lädt sie sofort ein und schließt die Tür. Alle wissen es. Nein. Es ist unmöglich.
»Ich habe kein Geld, um zu helfen«, sage ich.
» Tsk . Du hast ein Haus, einen Kiosk und keine Ausgaben für Frau und Kinder. Du bist reich. Wenn du nicht helfen willst, dann ist das reine Boshaftigkeit.« Sie dreht sich um und geht; es ist ein hübscher Anblick, aber schade, dass sie verschwindet. Ja, es ist wahr, ich könnte helfen, aber bin ich meines Bruders Hüter?
1986
Christian
Ich bekomme einen Brief von Samantha; am Poststempel sehe ich, dass er lange unterwegs gewesen ist. Hastig reiße ich ihn auf. Sie schreibt, sie will sterben – das schreibt sie mir. Sie hasst ihr Leben. Sie vermisst mich. Sie hasst die Schule. Sie will nicht nach Europa, nach England, wo ihre Mutter ist. Sie will nicht mehr auf die Schule in Moshi gehen. Ihr Vater ist ein Arschloch. Alles ist Scheiße. Und ich sitze in einem Keller in Hasseris. Fuck. Wir sollten zusammen sein. Wir sollten die Kontrolle behalten und unser eigenes Leben führen. Nur an die Dinge zu denken, die wir zusammen tun könnten … Ich schreibe sofort zurück: dass ich im Sommer komme, dass ich überlege, wie man in Tansania ein Geschäft aufbauen könnte, dass sie schön ist, dass sie durchhalten, aber nicht jeden Mist akzeptieren soll, dass sie nicht traurig sein muss – denn sie ist besser als andere Menschen.
Auf dem Gymnasium gründen wir eine Band, Anders, ich und ein Mädchen namens Marianne. Sie singt und spielt Keyboard. Ansonsten ist sie ziemlich still; klug, glaube ich. Sie hat einen klasse Arsch. Wir finden keinen Gitarristen, der einen Reggae-Rhythmus spielen kann. »Du bist zu weiß«, sagt Anders zu einem, der es versucht, und fügt ein » tsk« hinzu, das er von mir aufgeschnappt hat. Marianne singt gut. Die Schule ist okay. Ich erledige fast alle Hausaufgaben, aber es ist trotzdem eine Wüstenwanderung. Noch immer kein Wort von Samantha. Ich schreibe Panos und erkundige mich, aber auch er antwortet nicht. Ich schreibe an Jarno, aber der schickt bloß eine Postkarte, auf der steht: »Ich stecke in der Examenshölle. Danach bin ich in Noralds Haus in Dar. Du bist willkommen.«
Im Gymnasium ist eine Party. Ich bin high, als ich mit Anders eintreffe. Wir hängen an der Bar neben der Tanzfläche. Gespielt wird irgendwelcher Rock, Anders mischt sich unter die Tanzenden. Ich schaue mir die Mädchen an. Geistlos, alles ist für sie in Ordnung – am schlimmsten wäre es, wenn ihnen
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