Liberty: Roman
nicht einen Arzt rufen müssen? Und ihre Antwort wird ja sein.«
»Warte hier«, sagt Gösta und geht ins Haus. Nach einigen Minuten kommt er mit einem manipulierten Stück Papier zurück, das beweist, dass das Motorrad mir gehört. Vor zwei Jahren vom Projekt durch ihn persönlich an mich verkauft. Ich stecke das Papier in die Tasche – später werde ich es der Polizei zeigen, um die Behauptungen des Buchhalters zu entkräften.
»Wann hast du mein Ticket nach Schweden?«, frage ich Gösta lächelnd.
»Pass auf«, sagt er und lächelt ebenfalls. Wir grinsen beide, und ich fahre in diesem Leben weiter.
Wenn ich in der Stadt bin, frage ich Ibrahim, ob er Claire gesehen hat.
»Sie ist jetzt dick«, sagt er. »Aber es gibt Probleme.«
»Was für Probleme?«
»Rhema geht zum Hexendoktor, um euch umzubringen.«
»Ich glaube nicht an Gespenster und Voodoo«, sage ich.
»Nein, aber Claire ist sehr nervös.«
Ich muss mich jetzt mit Claires Familie auseinandersetzen. Es gibt eine Mutter, die geradezu heilig ist, und die unfähige Schwester Patricia, die nur daran denkt, einen bwana makubwa ins Netz zu bekommen, damit sie ein gutes Leben in Faulheit führen kann.
»Ich war mit Claire heute Morgen in der Kirche«, sagt die Mutter. Erwartet sie eine Antwort? Ich sage nichts. »Es ist schwer für Claire, in die Kirche zu gehen.« Schwer? Eeehhh , wegen des Bauches. Niemand in der Kirche hat sie je heiraten sehen – und trotzdem trägt sie einen großen Samen in sich. Sie ist schlimm gewesen.
Ich sehe die Schwiegermutter direkt an, rede langsam und deutlich: »So viele Männer können diesen Samen in deine Tochter gepflanzt haben. Der Samen wird nur meiner, wenn ich sage, es ist meiner. Sonst kannst du deine Tochter behalten und hast ein zusätzliches Maul zu stopfen.«
Sie sagt nichts. Claire kommt herein. »Möchtest du eine Tasse Tee, Marcus?«, fragt sie. Ich nicke. »Wie viel Stück Zucker möchtest du, Marcus?«
»Drei«, sage ich. Sie nimmt den Löffel und rührt um, wie eine anständige Frau für ihren Mann. Der Aufenthalt bei der Mutter hat bei Claire für klare Sicht gesorgt: Die Mutter wird sie in den Wahnsinn treiben. Sie kann hier nicht wohnen, das Verhältnis zu mir muss mit aller Süße wiederaufgebaut werden. Der erste Schritt: Zucker in den Tee.
»Ich werde hier bei meiner Mutter wohnen, jedenfalls bis das Kind geboren ist«, sagt Claire. Wir haben wieder Kontakt, schwanken aber noch auf unsicherem Grund, obwohl sie meine Zärtlichkeiten in jeder Sekunde möchte, die wir allein sind: weibliche Eigenarten.
TRÄNEN
Im Kibo Coffee House sehe ich Katriina allein an einem Tisch sitzen, vor sich ein Glas Eiskaffee. Ich gehe an den Tisch, setze mich ihr gegenüber und lasse die Tränen fließen.
»Ich vermisse Solja und Rebekka so. Sie sind viereinhalb Jahre bei mir gewesen, und jetzt sind sie fort. Und eine Tochter in Finnland, die ich nie gesehen habe. Und bald ist Weihnachten. Ich würde ihnen so gern etwas schenken.« Katriina seufzt.
»Dann komm uns besuchen«, sagt sie.
»Ich werde nicht wieder darüber sprechen«, sage ich.
»Jonas?«
»Wer? Ich habe noch nie von diesem Mann gehört.«
MTOTO MSWAHILI
In der Stadt kaufe ich Süßigkeiten und zwei lustige T-Shirts, bevor ich zu Katriina und den Mädchen fahre. Solja ist den ganzen Nachmittag in der Schule, aber meine weiße Tochter ist zu Hause. Rebekka – sieht total mswahili aus. Wie sie den Blick bewegt und lächelt, aber wenn man sie zu antworten zwingt oder etwas verlangt – kann sie die Gardinen hinter den Augen vollkommen verschließen, so dass der Blick flach und leer wird; wie bei einem Neger, der eine irritierend gefärbte weiße Person leid ist.
Katriina bringt mir eine Cola auf die Terrasse und schaut auf Rebekka, die mit Lego spielt.
»Ich bin froh, dass sie sich nicht an sehr viel erinnert«, sagt sie.
»Und Solja?«
»Solja ist sehr zornig«, sagt Katriina.
»Aber sie ist auch stark. Sie wird zurechtkommen.«
»Und was ist mit dir, Marcus?«, fragt Katriina und sieht mich direkt an. »Musst du denn sämtliche Frauen schwängern?«, sagt sie und lacht.
Ich schüttele den Kopf: »Die Frauen sind so erotisch, ich höre einfach auf zu denken.«
Katriina geht in die Wohnung. Wie sehr kann sie mir helfen? Früher reiste sie auf Jonas’ Ticket, jetzt auf bwana Knudsens. Unter dem Aspekt der Menschlichkeit ist das besser, aber ökonomisch unabhängig ist sie nicht. Katriina kommt zurück.
»Das ist alles, was ich habe«,
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