Liberty: Roman
sein muss, bis morgen auf dem Fußboden warten. Ich sage nicht, dass sie gehen soll. Ich stehe auf.
Sonntags hat Rachel frei. Ich setze mich an den kleinen Tisch, sie bringt mir Frühstück. Wir sagen nichts, aber ich fasse sie um die Hüfte, als sie mir Kaffee einschenkt. Ich ziehe ihr T-Shirt hoch und küsse ihren Bauch. Schaue in ihre Augen. Sie lächelt und streichelt mir übers Haar.
»Mein Christian«, sagt sie.
Abends fahre ich zu Marcus. Finde ihn in der Bar. Ich setze mich. »Ich frage dich, und du sagst es mir nicht ins Gesicht, aber du weißt es … Du weißt mit Sicherheit, dass Rachel eine … was sie gemacht hat. Du kommst mit Andeutungen und Gerüchten, mit dem, was du glaubst. Vielleicht. Obwohl du es wusstest. Scheiße, Mann, was bist du für ein Freund?«
»Ich erzähle dir alles, aber du hörst zu wie ein tauber Mann«, gibt Marcus zur Antwort. Zum Teufel mit ihm. Ich drehe mich um und will gehen.
»Du solltest dein Blut kontrollieren lassen«, fügt er hinzu. Ich gehe zurück zu ihm.
»Dann lass uns einen Arzt suchen, der es gleich morgen erledigt.« Er muss doch jemanden kennen, nach all der Zeit, in der er im KCMC im Sterben lag.
»Okay«, sagt Marcus.
Montagmorgen. Ich biege links in die Lema Road. Nicht der Weg ins Zentrum.
»Was machst du?«, fragt Rachel. »Ich muss zur Arbeit.« Ich halte am Straßenrand.
»Später. Wir müssen ins KCMC .«
»Warum?«
»Wir müssen dein Blut testen. Und mein Blut.« Ich warte. Sie sagt nichts. »Wir müssen wissen, ob wir diese Krankheit haben, HIV oder Aids, die dich so schnell dünn werden lässt, dass du stirbst. Verstehst du, die verbreitet sich durchs Pumpen, genau wie die Malaria sich über den Rüssel der Mücke verbreitet, wenn er in dir steckt.« Sie sagt noch immer nichts. Ich fahre zum Krankenhaus. Wir steigen ab. Sie hat feuchte Wangen. Ich schließe das Motorrad ab. Wir gehen zum Eingang. Ich nehme ihre Hand, sie drückt meine Finger. Ich habe einen Termin, der Arzt wurde bereits auf der Terrasse des Moshi Hotels bezahlt – anderenfalls müssten wir stundenlang auf den harten Holzbänken des Wartezimmers sitzen. Ich melde uns bei der Krankenschwester an, kurz darauf ruft sie uns herein. Der Arzt, ein Schwarzer, bittet uns, Platz zu nehmen, und holt seine Ausrüstung heraus.
»Sind die Nadeln sauber?«, frage ich ihn. Er hebt den Blick und sieht mich an – für einen Moment ist er verstummt.
»Die Nadeln sind ganz frisch«, antwortet er und hält eine Handvoll Nadeln hoch, die noch immer in ihren verschweißten Fabrikverpackungen liegen.
Ich entschuldige mich. Er seufzt.
»Es ist richtig, vorsichtig zu sein«, sagt er und nimmt unsere Proben. In drei Wochen sollen wir wiederkommen, dann hat er das Resultat. Rachel hat wieder zu weinen begonnen. Ich nehme ihre Hand, führe sie hinaus und fahre sie zur Arbeit. Drei Wochen in der Hölle.
Marcus
DAS LUFTSCHLOSS
Bwana Knudsen kommt direkt ins Roots Rock hineinspaziert. »Marcus«, sagt er. »Ich muss mit dir reden.« Wir fahren im Auto zum New Castle Hotel. Gehen auf die Dachterrasse. Er bestellt etwas zu essen und Bier.
»Was ist das für eine Geschichte mit Christian und diesem Mädchen? Ist es ernst?«
»Da müssen Sie Christian fragen.«
»Ja, ja, aber er denkt doch nur mit dem Unterleib«, sagt bwana Knudsen. »Er erinnert mich mehr und mehr an Jonas.«
Schockierend – hart und direkt, keine Falschheit und die Lügen des Schweigens. Soll ich die Frage stellen, an die bwana Knudsen selbst denkt? Wie starb Jonas Larsson? War es ein Resultat der Unterleibsgedanken bei bwana Knudsen?
Ich sage nichts.
»Erzähl mir, wer ist sie? Ist sie ein ordentliches Mädchen?«
»Sie ist ein armes Mädchen aus dem Dorf, das kaum ihren Namen buchstabieren kann«, sage ich, denn es ist nicht meine Aufgabe, überall von ihrem Gepumpe zu erzählen.
»Hm«, sagt bwana Knudsen. »Das dachte ich mir.« Ja, Rachel ist wie fast alle Tansanianer: leidend und unwissend. Die meisten wissen nicht, dass sie für eine Veränderung kämpfen können. Aber sie weiß es. Sie kämpft so gut wie ohne Waffen. Sie hat nur eine einzige perfekte Waffe. Und die gebraucht sie. Ist es nicht ihr gutes Recht zu kämpfen? Vielleicht wird es ihr besser gelingen als mir. Ich erkläre es.
»Im Privatleben von Christian kann sie das Mädchen sein, das ihm Liebe und Wärme gibt«, sage ich. »Aber sie ist keine gute Chagga-Frau, die eine Familie mit Geschäftssinn hat, deshalb kann sie auch nicht beim guten Überleben
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