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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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Frauen hinterherlaufen, sich prügeln oder feiern.
    Am späten Nachmittag schwimme ich im YMCA . Ich sehe Khalid auf die überdachte Terrasse kommen. Er winkt mir zu, ich winke zurück. Als ich geduscht und mich umgezogen habe, gehe ich auf die Terrasse.
    »Setz dich, Christian«, fordert Khalid mich auf und bittet die Kellnerin, uns noch eine Tasse zu bringen, damit ich mir einen Tee aus der Thermoskanne einschenken kann.
    »Wie geht’s dir?«, frage ich.
    »Gut«, gibt er zur Antwort, ohne seine smarten Klamotten, die am Ausschnitt hängende Sonnenbrille und das Geld zu erwähnen, das notwendig ist, um im YMCA abzuhängen.
    »Und der Berg?« Er grinst.
    »Ich bin Hilfsbergführer geworden.«
    »Ah ja, das ist doch gut. Da musst du nicht so viel schleppen.«
    »Ich muss die weißen Menschen schleppen«, erwidert er und schüttelt lächelnd den Kopf. »Sie sind verrückt.«
    »Wieso verrückt?«
    »Letzte Woche: ein amerikanisches Mädchen, ich sollte ihr morgens helfen, zum Gipfel zu kommen. Aber wir sind zu langsam, die Sonne geht bereits auf. ›Wo ist dieser Scheißgipfel‹, sagt sie. ›Es ist arschkalt, ich friere mir meine Scheißfinger ab.‹ So redet sie. Doch ich, ich bin Moslem, ich bin nicht aufgewachsen mit diesem ganzen ›Scheiße hier und Scheiße da‹. Aber in der dünnen Luft, da ist alles Scheiße. Die Kräfte schwinden, und ein erwachsener Mann kann zum Baby werden. Dieses amerikanische Mädchen, sie nölt herum und setzt sich auf die Erde. ›Was soll das‹, sage ich. ›Stehen Sie auf, Sie sterben, wenn Sie dort sitzen bleiben.‹ Weil wir dafür bezahlt werden, die Leute zum Gipfel zu peitschen, selbst wenn die Kunden sagen, sie wollten wieder herunter, nach Hause oder keinen Schritt weitergehen. Wenn wir am nächsten Nachmittag wieder die Ebene erreichen, gibt es viel Trinkgeld, wenn wir sie zum Gipfel gezwungen haben und sie ihr Diplom bekommen. Dann wundern sie sich darüber, wie nahe sie am Aufgeben waren. Und finden ihren Guide fantastisch. Aber dieses Amerikanermädchen sagt: ›Ich will hier ein bisschen in der Sonne sitzen und die Wärme genießen, und dann will ich herunter von diesem Scheißberg.‹ Ich sage: ›Es ist nicht mehr weit bis zum Gipfel. Ihnen wird warm werden, wenn wir gehen.‹ Jetzt wird es lächerlich. Sie sagt: ›Ich kann meine Scheißfinger nicht spüren.‹ Ich schaue sie an und sage: ›Machen Sie so …‹ Ich zeige es ihr; ich ziehe meine Handschuhe aus und schiebe die Finger vorn in die Hose. Sie schaut vom Boden auf: ›Willst du, dass ich meine Finger zu deinem Schwanz stecke?‹ ›Nein‹, sage ich. ›Sie sollen Ihre Finger in die eigene Hose stecken.‹ Ich zerre sie von der Erde hoch und ziehe ihr die Handschuhe aus, und sie stopft langsam die Finger in ihre Hose, wobei sie mich total wütend anguckt. ›Ganz runter‹, sage ich, mit einem Gesicht wie aus Stein. »Willst du, dass ich sie mir in die Möse schiebe?‹, fragt sie, während sie mir in die Augen sieht und ich ihr in die Augen sehe. ›Ja‹, sage ich. ›In Ihre Scheißmöse. Es ist scheißwarm darin.‹ Sie tut es und fängt an zu weinen, weil die gefrorenen Hände langsam auftauen und es wehtut, wenn das Blut wieder zirkuliert. ›Ihre Scheißmöse wird Ihre Scheißfinger wieder scheißwarm machen‹, sage ich. Und sie grinst und weint und sagt: ›Du Arschloch, du Scheißarschloch.‹« Khalid klatscht in die Hände. »Die Weißen – sie sind verrückt.«
    Ich grinse ihn an. Warte darauf, dass es kommt. Jetzt: »Aber es ist hart. So eine Tour auf den Berg. Hinterher tun einem alle Glieder weh.« Khalid erzählt von der Kälte, den Schmerzen im Brustkasten, dem schlechten Lohn, den Gefahren. »Christian«, sagt er und macht eine Pause, schaut eine Weile auf den Tisch und dann wieder mich an. »Wenn ich es zurückzahle, kann ich dann zu Rebel Rock zurückkommen?«
    »Wenn du mich bezahlt hättest, ohne mich vorher zu fragen, ob ich dich dann wieder nehmen würde, vielleicht – aber nicht, wenn du Bedingungen stellst, bevor du mir das Geld zurückzahlst.«
    »Was meinst du?«
    »Wenn ich dir versprechen muss, dass du wieder einsteigen kannst, bevor du mir das Geld zurückzahlst, das du mir gestohlen hast, dann nicht. Aber wenn du mir einfach das Geld gegeben und Entschuldigung gesagt hättest, dann hätte ich dich wieder genommen, denke ich.«
    »Das ist doch das Gleiche.«
    »Nein.«
    »Ich lade dich ein, biete dir Tee an, und dann beleidigst du mich«, sagt Khalid.
    »Du bist ein

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