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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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wussten nicht, wohin sie blicken sollten, wenn Seria Maú redete.
    Und dann, sowie sie sich alleine wähnten: »He! Ja! Unheimlich, oder?«
    »Bitte, haltet die Kabinen sauber«, unterbrach Seria Maú die Menschen.
    Sie überwachte ihr Treiben, besonders ihre nahezu unausgesetzte sexuelle Aktivität. Die Bilder der Nanokameras, die in Nischen oder Textilfalten nisteten oder wie Staubkörnchen durch das Menschenquartier trieben, glichen fast ausnahmslos lichtschwachen Unterwasseraufnahmen: Die Menschen aßen, tranken, trainierten und schieden aus. Sie kopulierten und wuschen sich, um gleich wieder zu kopulieren. Seria Maú verlor den Überblick über die Kombinationen aus erhabenen Hintern und gespreizten Beinen. Wenn sie die Lautstärke aufdrehte, hörte sie immer jemanden »Ja« flüstern. Alle Männer fickten eine von den Frauen; dann fickte die Frau unter den Augen der Männer ihren Klon. Im Alltag zeigte sich der Klon nachgiebig und empfindlich und neigte zu plötzlichen zornigen Weinkrämpfen und dazu, jedermann um finanziellen Rat zu bitten. Sie sei so unsicher, sagte sie. In allen Belangen. Sie fickten sie, schliefen und fragten Seria Maú später, ob sie die künstliche Gravitation abschalten könne.
    »Ich furchte, nein«, log Seria Mali.
    Sie war angewidert und fasziniert zugleich. Die niedrige Auflösung der Nanokameras verlieh dem Treiben etwas, das sie an ihre Träume erinnerte. Gab es da eine Verbindung?
    Sie übte das Murmeln von »O ja, so!«
    Und nahm gleichzeitig die im Frachtraum verstaute Ausrüstung in Augenschein. Soweit sie das beurteilen konnte, hatten die Sachen wenig mit Exogeologie zu tun und dienten vielmehr dazu, kleine Herden von Isotopen zu hüten, die in mehr als exotischen Zuständen waren. Die Passagiere waren Prospektoren. Wie alle anderen hier am Strand waren sie auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Goldesel. Sie wurde aus unerfindlichen Gründen böse und von der Schiffsmathematik gleich wieder eingeschläfert.
     
    Um gleich wieder geweckt zu werden.
    »Sieh dir das an«, sagte die Mathematik.
    »Was?«
    »Vor zwei Tagen habe ich achtern Teilchendetektoren aufgestellt«, sagte die Mathematik (musste aber zugeben, dass der Begriff ›achtern‹ angesichts der involvierten Geometrien so gut wie bedeutungslos war), »und begonnen signifikante Quantenereignisse zu zählen. Das ist das Resultat.«
    »Vor zwei Tagen?«
    »Stochastische Resonanz braucht Zeit.«
    Seria Maú bekam die Daten in Form eines Verlaufsdiagramms in ihren Tank übertragen und studierte sie. Was sie sah, war begrenzt durch die Fähigkeit der White Cat einen zehndimensionalen Raum vierdimensional darzustellen: ein erhellt wirkender grauer Raum, in dem man unweit der Mitte ein paar verknotete, geisterhaft gelbe Lichtschlangen sah, die sich dauernd veränderten, pulsierten, sich gabelten und die Farbe wechselten. Man konnte verschiedene Gitter über das Modell legen, die unterschiedlichen Systemen und Analysen Rechnung trugen.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Ein Schiff, denke ich.«
    Seria Maú studierte das Bild noch einmal. Sie spulte Vergleichsstudien ab. »Es müsste ein Schiffstyp sein, den ich nicht kenne. Ist das Schiff alt? Was hat es da draußen zu suchen?«
    »Das kann ich nicht beantworten.«
    »Warum nicht?«
    »Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wo ›da draußen‹ ist.«
    »Verschone mich«, sagte Seria Maú. »Weißt du überhaupt was Nützliches?«
    »Es hält Schritt mit uns.«
    Seria Maú starrte auf den Umriss. »Das ist unmöglich«, sagte sie. »Es ist alles, nur kein K-Schiff. Was wollen wir tun?«
    »Weiterhin Quanten sortieren«, sagte die Mathematik.
    Seria Maú stellte zum Menschenquartier durch.
    Ebendort hatte einer der Männer ein holografisches Display angeworfen und war offensichtlich mit einer Präsentation zugange. Der weibliche Klon saß in einer Ecke und lackierte sich die Fingernägel, machte unpassende Bemerkungen und quittierte alles, was der Mann sagte, mit einem leicht boshaften Lachen.
    »Ich verstehe nicht«, sagte sie, »wieso sie das nie zu tun braucht. Ich muss es tun.«
    Das Display ähnelte einem dunstigen Kubus und zeigte Nahaufnahmen vom Radio-Bay-Haufen, unter anderem auch von Suntory IV und 3-Alpha-Ferris VII. Durch wallende und wirbelnde Tieftemperaturgaswolken blinkerten heruntergebrannte, alte Braune Zwerge wie Betrunkene, die einen Highway bei Nebel überquerten. Ein Planet wurde herangezoomt, champignonfarben mit samtweichen schwefelgelben Bändern.

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