Licht
flüsterte er.
Ihm war, als zucke sie die Achseln. »So will es der Job«, sagte sie.
Ed wollte lachen. »Kein Wunder, dass ihn niemand will.«
Er rieb sich wieder durchs Gesicht, befühlte sein Haar. Nichts. Wusste aber, dass er nie vergessen würde, wie es sich anfühlte, das Zeug, das an ihm gesaugt hatte. Und zwar, weil es eigentlich nicht in dem Becken gewesen war. Oder wenn doch, dann war es auch noch irgendwo anders gewesen…
»Was hab ich denn gesagt? Hab ich gesagt, ich hätte irgendwas gesehen?«
»Es war ein vielversprechender Anfang.«
»Was ist das für ein Zeug? Hab ich es noch an mir? Was hat es mit mir angestellt?«
Sie kniete sich kurz neben ihn, strich ihm das Haar aus der Stirn. »Armer Ed«, sagte sie. Er spürte ihren Atem auf der Haut. »Wahrsagerei!«, sagte sie. »Heute noch schwarze Magie, und Sie stehen an vorderster Front, Ed. Halten Sie die Ohren steif und vergessen Sie nie: Alle verlaufen sich.
Gewöhnliche Leute, sie gehen die Straße hinunter und verlaufen sich: Jeder muss seinen Weg finden. Das ist nicht so schlimm. Das passiert täglich.«
Einen Atemzug lang sah es so aus, als wolle sie noch mehr sagen. Dann tätschelte sie ihm den Rücken, nahm das Aquarium, klemmte es sich unter den Arm und stapfte damit die Dünen hinauf in Richtung Zirkus. Ed krabbelte durchs trockene Gras irgendwohin, wo er sich in aller Ruhe übergeben konnte. Er stellte fest, dass er sich auf die Zunge gebissen hatte; passiert sein musste das, als er versucht hatte, sich das Becken vom Kopf zu stemmen.
Er hatte sich bereits entschlossen: Er würde die Ohren steif halten und das Zeug, das er darin gesehen hatte, vergessen. Verglichen damit war Tankentzug ein Zuckerschlecken.
19
Glocken der Freiheit
Nach dem Verlassen des Labors wollte Michael Kearney nur eines – in Bewegung bleiben.
Es begann zu regnen. Es wurde dunkel. Alles schien von einer präepileptischen Korona umgeben, ähnlich dem Geflacker alter Neonröhren. Seine Zunge schmeckte nach Metall. Erst lief er ziellos durch die Straßen, ihn schwindelte vor Übelkeit, er packte immer wieder die Parkgitter…
Dann stolperte er in die Russel Square Station und fuhr wahllos mit der U-Bahn. Der abendliche Stoßverkehr hatte eingesetzt. Pendler drehten sich nach dem Mann um, der in einer Biegung der schmutzigen gekachelten Passage oder in einer Nische des Bahnsteigs hockte, die Schultern schützend vorgezogen, während er die Würfel des Shranders im Hohlraum zwischen den Händen schüttelte; drehten sich rasch wieder weg, wenn sie sein Gesicht sahen oder das Erbrochene auf seiner Kleidung rochen. Nach zwei Stunden im U-Bahn-System flaute seine Panik ab: Es fiel ihm noch schwer, an einem Ort zu bleiben, aber sein Puls hatte sich beruhigt, und er konnte zum ersten Mal wieder denken. Auf einem Rückweg durchs Zentrum genehmigte er sich einen Drink im Lymph Club, behielt ihn bei sich, bestellte ein Essen, das er nicht essen konnte. Danach lief er noch eine Weile, dann nahm er einen Jubilee-Line-Zug nach Kilburn, wo Valentine Sprake am Ende einer langen Straße aus nichts sagenden, dreistöckigen, viktorianischen Normziegelbauten wohnte; die im Müll erstickenden Kellervorhöfe und die mit Brettern vernagelten Fenster zogen ein wechselndes Publikum von Dealern, Kunststudenten und Wirtschaftsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien an.
An den Laternenpfählen hingen politische Plakate. Nicht eines der bemalten und rostigen Autos, die zwischen Abfallpapier und Hundekot halb auf dem Gehsteig parkten, war jünger als zehn Jahre. Kearney pochte an Sprakes Tür, einmal, zweimal, dann ein drittes Mal. Er trat zurück und rief ungeachtet des Regens, der ihm in die Augen fiel, an der Fassade empor: »Sprake? Valentine?« Seine Stimme hallte die Straße hinunter. Ein paar Atemzüge später wurde seine Aufmerksamkeit auf eines der Fenster im obersten Stock gezogen. Er verrenkte sich fast den Hals, konnte aber nicht mehr als einen grauen Store und die schmutzigen Reflexe der Straßenbeleuchtung ausmachen.
Kearney streckte die Hand nach der Tür aus, als diese wie auf Kommando nach innen schwang, und wich plötzlich einen Schritt zurück.
»Jesus!«, sagte er. »Jesus!«
Einen Moment lang hatte er geglaubt, ein Gesicht hätte um die Tür geblickt. Es war vom Laternenlicht verwischt und unerwartet niedrig über dem Boden; als hätte man ein kleines Kind geschickt.
Drinnen hatte sich nichts geändert. Seit den siebziger Jahren nicht und hier
Weitere Kostenlose Bücher