Licht über den Klippen
verrottet doch hier drin.« Susan blätterte weiter.
»Guckt mal, das ist Claire.«
»Was für Klamotten«, lautete Felicitys Kommentar.
»Sei nicht so kritisch, das waren die Achtziger. Eva, schau.« Sie
zeigte mir ein hübsches Foto des Unteren Gartens mit den Rosen in voller Blüte.
»Das solltest du vergrößern lassen und in der Teestube aufhängen«,
riet ich ihr.
Susan wandte sich Felicity zu. »Könntest du das für mich erledigen,
Fee?«
»Klar.«
»Fee kennt sich aus mit Fotografie. Du solltest mal ihre Bilder vom
Hafen sehen«, erklärte Susan mir.
»Genau so was wollen die Touristen. Letzten Sommer habe ich für den
Laden ein paar Bilder als Postkarten drucken lassen.
Die gingen weg wie warme Semmeln.«
»Wo ist dein Geschäft?«, fragte ich.
»Neben Penhaligon’s .«
»Wo früher Mrs Kinnecks Laden war«, erklärte Susan. »Du erinnerst
dich doch noch an Mrs Kinneck mit den Süßigkeitengläsern hinter der Theke,
oder, Eva? Sie hat uns immer Lakritze geschenkt.«
Natürlich erinnerte ich mich.
»Der Ort hat sich verändert«, klagte Susan. »Die alten Geschäfte
sind bis auf den Fudge-Laden verschwunden – der ist zum Glück noch da. Aber den
von Mrs Griggs gibt’s nicht mehr und den von Mr Turner auch nicht.«
»Was ist mit dem kleinen Geschäft am Hafen, wo man Muscheln in
Körben kaufen konnte?«, erkundigte ich mich.
»Da ist jetzt eine Teestube. Leider kann die Frau, die sie führt,
keine Scones backen.«
»Sue wird ihr den Rang ablaufen«, meinte Felicity.
Susan blätterte weiter in dem Album. »Ich will niemanden verdrängen,
Fee. Mir geht’s lediglich darum, dass wir was verdienen. Mein Vater würde sich
im Grab umdrehen, wenn unsere Familie Trelowarth verlöre.«
Felicity hielt ein großes Schild mit der blauen Aufschrift
»Trelowarth Rosen« hoch. »Was ist das?«
»Teil der Ausstattung für Blumenschauen, als Dad sich noch dafür
interessierte.«
Ich erinnerte mich vage an diese Schauen, die sich vom Frühjahr bis
zum Herbst über die Saison verteilten. Als Kind war mir nicht bewusst gewesen,
wie viel Mühe Onkel George auf ihre Vorbereitung verwendete. Mit einem Blick
auf das Schild fragte ich: »Nimmt Mark denn nicht an den Ausstellungen teil?«
»Seit Jahren nicht mehr«, antwortete Susan. »Er ist wie jeder echte
Hallett nur schwer aus seinem Garten zu locken. Und jetzt, in den Zeiten des
Internet, hält er es überhaupt nicht mehr für nötig, sich in Gesellschaft zu
begeben. Er wird noch als Junggeselle sterben.«
»Das bezweifle ich«, widersprach ich. »Dazu sieht Mark zu gut aus.«
»Mit dem Haarschnitt?« Susan drehte das Album so, dass Felicity und
ich ein Foto von Mark als Teenager betrachten konnten, mit Jeans, leuchtend limonengrünem T-S hirt und
Achtziger-Jahre-Fönfrisur.
Felicity musste laut lachen. »Und wer ist das hinter ihm?«
»Claire«, antwortete Susan. »Die Bilder sollten wir ihr zeigen.
Wahrscheinlich hat sie die völlig vergessen.«
Felicity argwöhnte, dass Claire das Album absichtlich im Gewächshaus
deponiert hatte. »Wer würde schon gern an solche Klamotten erinnert werden?«
Mein Magen machte mich darauf aufmerksam, dass es Mittag wurde und
Claire uns zu Sandwiches und Tee eingeladen hatte.
Die Hunde folgten uns, als wir in Richtung Küstenpfad gingen. Susan
stieß einen Pfiff aus, und die drei größeren verschwanden im Wald, während
Samson mir nicht von der Seite wich.
Ich liebte Hunde, hatte jedoch nie selbst einen besessen. In meiner
Kinderzeit in Vancouver hatte mein Vater sich lediglich zu zwei Katzen
überreden lassen, und in meinen Wohnungen in L. A. waren keine Haustiere
erlaubt gewesen.
Offenbar mochte Samson mich. Er wedelte beim leisesten Wort von mir
mit dem Schwanz und war ständig in meiner Nähe. Als er im Unterholz herumzuschnüffeln
begann, wartete ich auf ihn und fragte: »Was ist denn da so interessant?«
Samson spitzte die Ohren und schnüffelte weiter. Wahrscheinlich
witterte er ein Kaninchen, vielleicht sogar Susans Dachs. Da raschelte es in
der Nähe, und Samson hob den Kopf. Kurzes Schnuppern, dann verschwand er im
Wald. Als ich Luft holte, um ihn zurückzurufen, begannen die Bäume, sich zu
bewegen.
Den Eindruck hatte ich zumindest. Der Pfad schien sich zu verengen,
der Wind wurde wärmer, und das Licht der Sonne fiel in einem anderen Winkel
durch die Blätter. Unmittelbar vor mir tauchte plötzlich eine Weggabelung auf,
die kurz zuvor noch nicht dort gewesen war.
Hatte Mark mir nicht versichert,
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