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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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ich aufstand, tat er es mir gleich, und als ich den Raum
verließ, folgte er mir. »Wohin wollen Sie?«, erkundigte er sich.
    »In mein Zimmer.« An der Schwelle drehte ich mich zu ihm um. »Es ist
wirklich nett, dass Sie mich begleitet haben, aber jetzt wäre ich gern allein,
also gehen Sie.«
    Wie zuvor erwiderte er meinen Blick, ohne zu verschwinden.
    »Na schön«, seufzte ich und schloss die Tür zwischen uns.
     
    Ich hörte Stimmen aus dem Nebenraum.
    Die eine kannte ich nun, die andere, ungeduldig und mit irischem
Akzent, gehörte einem Fremden, der sich nicht bemühte, leise zu sein.
    »Hast du denn keinen Funken Verstand? Das ist nicht dein Kampf, und
das weißt du auch.«
    »Wessen Kampf ist es dann?«, fragte der Mann in Braun.
    »Nicht der deine«, beharrte der Ire. »Und auch nicht der meine.«
    Inzwischen war etwa eine halbe Stunde vergangen, und meine Halluzination dauerte an, in
diesem Zimmer, das das meine war und doch nicht so aussah. Die Wände waren
weiß, nicht grün, und wo der Schrank hätte stehen sollen, befand sich eine einfache
Waschgelegenheit mit einer Schale und einem Krug. Der Schaukelstuhl und die
Kommode waren verschwunden; an ihrer Stelle standen zwei niedrige Truhen und
ein kleiner Schreibtisch in der Fensternische beim Kamin. Letzterer war
unverändert; der Dielenboden knarrte noch immer, wenn ich darauf trat, und das
Bett stand an der gleichen Stelle wie sonst. Allerdings nicht dasselbe Bett.
Dieses war größer, hatte ein Kopfteil aus Holz, Pfosten und einen Baldachin. Es
sah aus, als gehörte es in ein Museum.
    Darauf saß ich nun. Ich hatte den Mann in Braun ins Nachbarzimmer
gehen hören, dann die Schritte eines anderen Mannes, wahrscheinlich die des
Iren, auf der Treppe und im Flur vernommen, und jetzt stritten sich die beiden.
    Der Ire fuhr fort: »Hat der verdammte Duke of Ormonde dir je einen
Gefallen getan? Nein. Hat er sich für dich eingesetzt, als du in Newgate warst?
Hat er dich dort besucht?«
    »Fergal.«
    »Und, hat er es getan?«
    »Ich bin ihm durch unser gemeinsames Blut verbunden.«
    »Er soll seines vergießen und uns in Ruhe lassen.«
    Leises Lachen. »Dich möchte ich nicht zum Feind haben.«
    »Dazu wird es nicht kommen, sonst wärst du schon lange tot.«
    »Ein tröstlicher Gedanke.«
    »Mein Gott, sei vernünftig. Wenn du schon deinen Kopf riskierst,
dann doch nicht für diese Mistkerle.«
    »Ich dachte, du stehst auf der Seite des Königs.«
    »Das tue ich. Aber den Männern, mit denen er sich umgibt, traue ich
nicht. Seit dem Tod von Queen Anne hatten sie nun fast ein Jahr Zeit, ihn
zurückzuholen, doch sie haben nichts unternommen.«
    Ich hörte Schritte, dann, wie ein Türgriff bewegt wurde.
    »Denk über meine Worte nach.«
    »Was hältst du von gebratenen Tauben?«
    Die Schritte hielten inne.
    »Was hat das damit zu tun?«
    »Mit vollem Magen kann ich klarer denken.«
    »Tatsächlich?«
    »Also brat ruhig einen Vogel mehr.«
    »Für dich brate ich den ganzen Schwarm«, versprach der Ire. »Wenn du
dann wieder zur Besinnung kommst.«
    Er schloss die Tür deutlich hörbar und ging schweren Schrittes die
Treppe hinunter.
    Wieso war der nun meinem Gehirn entsprungen?, fragte ich mich. Und
warum hieß er Fergal? Ich kannte keinen Fergal.
    Von unten rief der Ire herauf: »Der Constable kommt!«
    Na, prima, dachte ich. Noch einer. Dann hörte ich draußen das
Klappern von Pferdehufen und stand auf, um hinauszusehen. Im Nachbarzimmer knarrten
die Dielen; offenbar trat der Mann in Braun ebenfalls ans Fenster.
    Der Reiter, der auf einem glänzend braunen Pferd den Hügel
heraufpreschte, wirkte offiziell. Er war mittleren Alters und trug schwarze
Kleidung sowie einen tief ins Gesicht gezogenen Hut. Aus dem anderen Zimmer
hörte ich hastige Schritte in Richtung Tür und, nachdem diese geöffnet und
wieder geschlossen worden war, die Treppe hinunter.
    Ich fand es merkwürdig, vom Fenster aus etwas zu sehen, das vertraut
und doch fremd wirkte: Es war, als hätte ein Künstler die Szenerie überarbeitet,
Bäume gemalt, wo sich zuvor keine befunden hatten, die Dächer und Häuser von
Polgelly verschwinden lassen und aus der Straße einen gefurchten Feldweg
gemacht.
    Der Reiter brachte sein Pferd vor dem Haus zum Stehen und schickte
sich an abzusteigen, als die Eingangstür aufgerissen wurde und der Mann in
Braun ohne Hut, aber wieder mit Jacke, hinausstürzte.
    Da mein Fenster geschlossen war und der Wind daran rüttelte,
verstand ich nichts von dem, was die

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