Licht über den Klippen
– sogar berühmte –
völlig sachlich über das Thema diskutierten und sogar Experimente an
Universitäten durchführten.
Von der Debatte begriff ich nur, dass keiner der Wissenschaftler
behauptete, Zeitreisen seien grundsätzlich unmöglich. Sogar eine Vorlesung des
großen Stephen Hawking wurde zitiert, in der es hieß, nach unserem
gegenwärtigen Verständnis der physikalischen Gesetze seien Reisen in die
Vergangenheit vorstellbar.
Offenbar hing alles mit Einsteins Relativitätstheorie zusammen, mit
der er bewiesen hatte, dass Zeit und Raum nicht fix und absolut sind, wie Isaac
Newton behauptete.
Ich fand ein Porträt von Sir Isaac Newton als alter Mann, gemalt um
1710. Sein Gesicht erschien mir sympathisch, doch seine Kleidung interessierte
mich mehr: Er trug einen Hausmantel ähnlich dem, der in meinem Schrank hing.
Und ihn vor mir zu sehen, überzeugte mich mehr als Stephen Hawkings Worte
davon, dass ich, so unglaublich es auch sein mochte, tatsächlich in die
Vergangenheit gereist war.
Einen Arztbesuch konnte ich mir damit wohl sparen.
Aus dem Nachbarzimmer waren Stimmen zu hören.
Als ich die Augen aufschlug, war es dunkel, und es dauerte eine
Weile, bis ich mich an das fahle Licht des Mondes gewöhnte. Um diese Zeit
herrschte im Haus eine Atmosphäre der Einsamkeit. Als Kind hatte ich es
gehasst, mitten in der Nacht, umgeben von Schatten, aufzuwachen. Nun war ich
froh, dass sich alles an seinem Platz befand – die Betten, der Stuhl, der
Schrank. Ich war also, wo ich sein sollte.
Seit meiner letzten Zeitreise drei Tage zuvor hatte sich nichts
Ungewöhnliches ereignet, sodass ich inzwischen sicher alles für Einbildung
gehalten hätte – wenn da nicht der Hausmantel gewesen wäre.
Die Stimmen im Nachbarzimmer sprachen weiter. Die des Mannes in
Braun kannte ich inzwischen; sein Gesprächspartner war vermutlich der Ire. Er
klang lebhaft, als wolle er den anderen von etwas überzeugen.
Ich zwang mich, aufzustehen und zum Bad zu gehen.
Auch auf dem Flur war es dunkel, aber ich kannte den Weg und hätte
ihn mit verbundenen Augen gefunden. Im Bad musterte ich mein Gesicht im
Spiegel. »Feigling«, rügte ich mich. Trotzdem ließ ich mir eine gute
Viertelstunde Zeit, ehe ich in mein Zimmer zurückkehrte.
Wo es jetzt still war; ich hörte keine Stimmen mehr, nur das Wispern
der nächtlichen Brise durch die ein wenig geöffneten Fenster. Und den Atem von
jemandem auf meinem Bett.
Ich erstarrte.
War es noch mein Bett? Das Mondlicht fiel auf Pfosten und Vorhänge
und die Gestalt eines Mannes, der auf dem Bett lag, die Hände hinter dem Kopf
verschränkt, bekleidet mit der Hose und dem weißen Hemd, worin ich ihn schon
gesehen hatte. Er atmete so regelmäßig, dass ich dachte, er schlafe.
Bis seine Stimme aus den Schatten erklang.
»Leider habe ich Ihren Namen vergessen.«
»Sie haben mich nicht danach gefragt.«
Im fahlen Mondlicht konnte ich weder seine Augen noch seinen
Gesichtsausdruck sehen.
»Haben Sie denn einen?«
Fast wäre mir mein Name nicht mehr eingefallen. »Eva.«
»Eva. Ist das alles?«
»Eva Ellen Ward.«
»Ein guter Name.« Ich spürte seinen Blick. »Fast hatte ich
gefürchtet, dass Ihnen seit unserer letzten Begegnung etwas passiert ist, Eva
Ward.«
»Danke, es geht mir gut.«
»Das sehe ich und bin froh darüber, denn Ihr Befinden hat mir
Kopfzerbrechen bereitet.«
»Warum?«
»Weil ich nicht daran gedacht hatte, Sie vor dem Verlassen des
Hauses zu warnen«, antwortete er. »Diese Gegend ist nicht sicher für eine Frau,
und auf den Straßen hier sollte man sich mit Bedacht bewegen.«
»Ich war nicht auf der Straße.«
»Nein?«
»Nein. Ich habe das Haus nicht verlassen.«
»Wieso habe ich Sie dann nicht mehr gesehen? Ach so, Sie sind
zurückgekehrt.«
»Ja.« Ich überlegte, wie ich dieses Problem angehen sollte. Bei
unserer letzten Begegnung hatte ich zu ihm gesagt, er sei nicht real, er solle
verschwinden. Wahrscheinlich hielt er mich für verrückt. »Gehe ich recht in der
Annahme, dass ich in die Vergangenheit gereist bin?«
Erst nach einer ganzen Weile antwortete er: »Das hängt davon ab, aus
welcher Perspektive Sie es betrachten.«
Das klang logisch. Ich erklärte ihm, aus welchem Jahr ich kam. Falls
er überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. »Ja«, sagte er. »Dann sind
Sie in der Tat in die Vergangenheit gereist. Etwa drei Jahrhunderte.«
»Es ist das Jahr 1715?«
»Ja«, bestätigte er erstaunt. »Woher wissen Sie das?«
»Ich habe mich
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