Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
Vom Netzwerk:
Sack befand sich die Gerste, aus der Fergal die Suppe
gekocht hatte, aber nicht eingeweicht war sie hart und ungenießbar. Ein anderer
Beutel beinhaltete grob gemahlenes Mehl. In einer Kiste unter dem Arbeitstisch
entdeckte ich zwei weiche Äpfel; alle anderen Lebensmittel lagerten vermutlich
in dem hohen Schrank, doch der war verschlossen.
    Ich aß einen Apfel und hob mir den zweiten für später auf.
Anschließend sah ich mich nach einem Zeitvertreib um.
    Es war seltsam, allein in dem Haus zu sein. Abgesehen von dem Lärm,
den der Sturm draußen verursachte, hörte ich jede Menge anderer Geräusche:
knarrende Stufen, ächzende Balken, trippelnde Mäuse.
    Was hatte Daniels Frau wohl getan, wenn er auf See war? Sie hatte
den Haushalt führen und kochen müssen, was damals wahrscheinlich den ganzen Tag
in Anspruch nahm. Aber ich kam aus einer Zeit, in der ich nur auf einen Knopf
oder Schalter zu drücken brauchte, um Musik oder die stündlichen Nachrichten
hören zu können.
    War Daniels Frau je nach oben gegangen, wie ich es nun tat, um in seinem
Arbeitszimmer, in dem eine Ahnung seines Pfeifenrauchs in der Luft hing, Trost
zu suchen? Ich überflog die Titel von Daniels überwiegend in Kalbsleder
gebundenen Büchern auf der Suche nach etwas, das ich kannte. Neugierig zog ich
eine Ausgabe von Jonathan Swifts Gedichten aus dem Regal, so neu, dass ich noch
die Druckerschwärze roch. Swift lebte, wurde mir beim Lesen bewusst, und machte
sich vielleicht gerade Gedanken über Gullivers
Reisen , ein Buch, das er noch nicht geschrieben hatte.
    Ich entdeckte weitere gerade erschienene Bücher, von Alexander Pope,
William Congreve und dem Dichter Matthew Prior. Es war faszinierend, diese
Werke in der Form in Händen zu halten, in der die Verfasser sie bekommen
hatten, möglicherweise in der Erstausgabe, die Einbände glatt und die Seiten
noch nicht aufgeschnitten.
    Wie wäre die Reaktion der Schriftsteller ausgefallen, wenn ich ihnen
gesagt hätte, dass eine Frau, die dreihundert Jahre nach ihrer Zeit in diesem
Haus lebte, ihre Namen kennen und lesen würde, was sie geschrieben hatten?
    Ich stellte Swifts Gedichte zurück, nahm eine Folio-Ausgabe von
Shakespeares Dramen heraus und blätterte so lange darin, bis ich Der Kaufmann von Venedig fand, das
erste Stück, das ich je auf der Bühne gesehen hatte, mit meinen Eltern und Katrina
in Stratford. Katrina hatte immer gesagt, diese Vorstellung habe ihr offenbart,
wofür sie bestimmt war.
    Ich setzte mich in den Sessel am Fenster und verbrachte die nächste
Stunde mit Lesen. Beinahe hatte ich den Eindruck, mit Katrina im dunklen Zuschauerraum
des Theaters zu sitzen und das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen. Der
attraktive junge Schauspieler, der den Bassanio gab, hatte Katrina in ihrer
Berufswahl bestärkt. Jahre später hatte sie ihn bei Dreharbeiten persönlich
kennengelernt und ihn einen Egomanen genannt, als sie am Abend zu mir gekommen
war, um sich zu entspannen.
    Ich hatte Rohrzuckersandwiches gemacht wie früher unsere Mutter und
gefragt: »Wirklich?«
    »Ja. Und ich habe all die Jahre für ihn geschwärmt. Man sollte sich
nicht in ein Ideal verlieben.«
     
    Am Abend wurde mir klar, dass ich vielleicht länger allein
bleiben würde, als ich gedacht hatte. Ich beschloss, hinunterzugehen und ein
Feuer anzuzünden.
    In der kalten Asche des Küchenkamins lag frisches Holz. Leider
stellte ich mich beim Feuermachen nicht geschickt an, nicht einmal mit normalen
Streichhölzern, die ich nicht hatte. Meine Suche förderte eine Zunderbüchse aus
Metall zutage, einen Gegenstand, den ich nur aus Büchern kannte. Die Theorie
war mir klar: Ich musste mit Feuerstein und Feuerstahl Funken auf den Zunder,
eine Mischung aus Holzspänen und Stofffetzen, schlagen und, sobald sie ihn
erfassten, daraufblasen, um mit der Flamme das Holz im Kamin zu entzünden. Narrensicher.
    Doch nach fast einer halben Stunde Mühe hatte ich lediglich ein paar
kleine Funken zustande gebracht, die den wertvollen Zunder auffraßen, ohne eine
richtige Flamme zu ergeben. Mein Gesicht war schmutzverschmiert, meine Laune im
Keller, und meine Knie schmerzten vom langen Hocken. Trotzdem konzentrierte ich
mich weiter auf meine Aufgabe.
    Und hörte die Tür nicht. Erst das Geräusch schwerer Stiefelschritte
auf den Bodendielen ließ mich zusammenzucken. Ich drehte mich um, erwartete
Daniel oder Fergal.
    Es war keiner von beiden.

VIERZEHN

    I n der Düsternis des
Raums jagte die Gegenwart des Constable mir Angst ein.

Weitere Kostenlose Bücher