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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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fühlte sich unterwegs darin wohler.
     
    Eine Stunde später erschien Lord Eduardo in der Kajüte, wo Levarda auf einem am Boden befestigten, gemütlichen Sessel saß.
    »Also, Lord Eduardo, was hat es nun mit der Flüssigkeit in der Phiole auf sich?«, kam sie gleich zur Sache.
    »Das, Lady Levarda, lässt sich besser zeigen als erklären. Bereit für ein Abenteuer?«
    Er gab ihr einen Umhang mit Kapuze und bat sie, diese aufzuziehen. Er erklärte, dass im Tempel von Lethos strenge Regeln herrschten und eine davon besagte, dass Frauen ihren Kopf und ihr Gesicht bedecken mussten. Außerdem wäre es ihr nicht gestattet, in das Allerheiligste einzutreten, sie dürfe nur von einem Raum aus, dessen Front in Richtung Altar mit einer Sichtwand ausgestattet war, hineinsehen und den Zeremonien von Weitem beiwohnen.
    Levardas Neugier wuchs ins Unermessliche angesichts dieser strikten Regeln. Gehorsam warf sie den Umhang um die Schultern, zog die Kapuze über den Kopf und befestigte den Schleier davor. Ein seltsames Gefühl, so verhüllt zu sein.
    Gemeinsam machten sie sich an den Aufstieg in das Heiligtum des Lethos. Eine Menschenmenge pilgerte den Weg hinauf, hauptsächlich Männer. Die Gesichter der wenigen Frauen unter ihnen waren hinter Schleiern in unterschiedlichen Farben aus dem gleichen transparenten Stoff wie ihrem verborgen.
    Sie musste immer wieder Pausen für Lord Eduardo einlegen.
    »Ihr springt diesen Berg hoch wie eine junge Gazelle.« Er hatte sich an einen Stein gelehnt und wartete darauf, dass sein Atem zurückkehrte.
    Schließlich erreichten sie den Tempel. Die Abbildung einer Sonne aus Mosaiksteinen prägte den Boden des Vorhofes. Levarda sah das Zeichen des Feuers und der Luft. Verborgen in einer Ecke sah sie einen Mond mit dem Symbol für Wasser und Erde. Es überraschte sie, die Embleme Lishars überhaupt abgebildet zu sehen. Nach den Erzählungen von Otis und den vielen Zeremonien zur Verehrung von Lethos, denen sie auf der Festung beigewohnt hatte, erschien es ihr ungewöhnlich, sie in seinem Heiligtum zu finden.
    Lord Eduardo gab ihr ein Zeichen, dass sie den Platz nicht überqueren dürfe. Während die Männer über das Mosaik in den Tempel gingen, mussten die Frauen einen Weg um die Symbole herum nehmen. Dort führte eine Treppe auf die zweite Ebene in einen weitläufigen Raum.
    Eine mit Sonnen verzierte Holzwand bot zwischen den eingearbeiteten Sonnenstrahlen offene Sicht auf den Innenbereich des Tempels. Im Zentrum dominierte eine männliche Figur das Heiligtum. Schlank und hochgewachsen besaß die Statue einen ausgeprägten Brustkorb, kräftige Arme, einen nackten Oberkörper mit fein ausgearbeitetem Muskelspiel, der in einen flachen Bauch mündete. Eine Art knapper Rock bedeckte die Männlichkeit. Darunter kamen muskulöse Beine zum Vorschein, die Füße steckten in Sandalen. Die Augen des Gottes schienen sie direkt anzusehen. Die Figur strahlte pure Manneskraft in jedem liebevoll ausgemeißelten Detail aus. Die Gesichtszüge erschienen ihr seltsam vertraut.
    In ihrer Erinnerung sah Levarda die Gestalt von Lishar, die ihr damals in der Nacht in den Bergen von Ikatuk erschienen war, ihr helles Leuchten, die weichen Züge, das warme Lächeln in ihrem Gesicht. Selbst eine Göttin würde sich der Anziehungskraft eines solchen Mannes nur schwerlich entziehen können. In ihrem Kopf schenkte ihr die Göttin ein verschmitztes Lächeln.
    Eine Frau reichte ihr einen Becher. »Hier trinkt.«
    »Was ist das?«
    »Der Saft aus den Lenden des Lethos.«
    Angewidert betrachtete Levarda das milchige Getränk.
    Die Frau, deren Gesicht sie nur schemenhaft unter dem seidigen Stoff erkannte, sah sie an. »Ihr seid zum ersten Mal im Tempel von Lethos, nicht wahr?«
    Levarda nickte.
    »Das Getränk wird nur so genannt. Es ist aus dem Saft von Bananen gemacht, mit Wasser aus der Quelle im Innern des Tempels vermischt, und ein wenig Zitrone ist auch drin. Es wird Euch die Fruchtbarkeit bringen, die Ihr Euch wünscht.«
    »Wie kommt Ihr darauf, dass ich mir Fruchtbarkeit wünsche?«, fragte Levarda unbehaglich berührt.
    »Die wünscht sich jede Frau, die diesen Weg zum Tempel von Lethos auf sich nimmt.«
    Mit keiner Silbe hatte Otis dieses Ritual erwähnt. Sie runzelte die Stirn, verärgert von der versteckten Absicht ihres Mannes.
    Die Frau legte den Kopf zur Seite, irritiert von ihrem Verhalten. Andere Verschleierte wandten ihr den Blick zu.
    Um nicht aufzufallen, nahm Levarda den Becher entgegen, sicher, dass

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