Licht und Dunkelheit
dieses Getränk keine unerwünschte Auswirkung auf sie hatte. Immerhin war das Wasser ihr Element. Sie nippte vorsichtig daran. Ein herrlich erfrischender Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus.
»Ihr müsst ihn in einem Zug leeren, sonst wirkt er nicht«, drängte sie die Frau. Levarda setzte den Becher an, und noch während sie ihn austrank, bemerkte sie den bitteren Beigeschmack, sah den zufriedenen Blick der Frau, dann schwanden ihr die Sinne.
Hinter ihrer Stirn pochte es. Dunkle Schatten bewegten sich durch ihren Körper. Jemand riss ihr den Kopf zurück, zwang ihren Mund auf und schüttete ihr eine Flüssigkeit hinein. Sie spuckte sie aus. Sie hörte Flüche. Erneut wurde ihr Kiefer aufgezwungen, diesmal hielt man ihr zusätzlich die Nase zu, und erst nach einem Moment kam die Flüssigkeit in ihre Mundhöhle. Sie schluckte, um wieder Luft zu bekommen. Krämpfe schüttelten sie, durch ihren Körper jagten die Schatten, kämpften gegen ihre eigenen Kräfte.
Levarda erbrach sich. Eine Hand hielt ihren Kopf und schob eine Schüssel unter ihren Mund. Sie griff nach ihrem Amulett, damit es sie beschützte, aber ihre Finger fanden nur Leere. Sie fiel zurück in die Bewusstlosigkeit. Wann immer sie an den Rand ihres Bewusstseins kam, wiederholte sich die Prozedur. Mit jedem Mal ließ ihre Widerstandskraft mehr nach, und ihr Unterbewusstsein, das sich beständig gegen die Schatten wehrte, beschloss, den Körper aufzugeben, um ihre Seele zu schützen. An der Grenze zwischen Leben und Tod löste sie sich in reine Energie auf.
Eine weibliche Gestalt verwehrte ihr den Weg in die Unendlichkeit. Sie erkannte in ihr die alte Frau aus Forran, der sie einst an den Grenzen von Mintra begegnet war. In ihrem Geist kam die alte Frau auf sie zu und wechselte ihre Gestalt. Sie verwandelte sich in einen Offizier der Garde, dann in eine junge Frau mit schwarzem, lockigen Haar, und Levarda verstand – Larisan. Sie war die Frau gewesen, mit der sie über das Land Forran gesprochen hatte.
»Du hast mir das Versprechen gegeben, ins Gleichgewicht zu bringen, was ich ins Ungleichgewicht gebracht habe. Lässt dich ein wenig Schmerz so leicht aufgeben?«
»Es ist nicht der Schmerz, den ich fürchte, sondern die Dunkelheit.«
»Dort, wo Licht ist, ist auch Dunkelheit. Das eine gehört zum anderen. Lass die Dunkelheit in dein Herz und beides wird darin existieren können.«
»Es ist zu viel Leid, zu viel Zorn, zu viel Hass, als dass ich es ertragen könnte. Was, wenn ich es nicht verzeihen kann und selbst zur Dunkelheit werde?«
»Du trägst das Licht der Liebe in dir, wovor hast du Angst, meine Tochter?«
Levarda kehrte zurück in ihren Körper. Eine Schmerzwelle schwappte über sie hinweg, zog ihr Unterbewusstsein in das Bewusstsein hinein.
Sie keuchte und riss die Augen auf. Verschwommen nahm sie einen Raum wahr und ein Gesicht schob sich in ihr Blickfeld – Lord Eduardo.
»Ich glaube, ihr Geist ist zurückgekehrt und sie erwacht.«
»Ihr habt die Dosis herabgesetzt, alter Mann.«
»Tot nützt sie Euch nichts. Ihr selbst sagtet, dass Ihr stärker wäret als sie, wenn ihr Amulett sie nicht schützt.«
»Geht beiseite. Ich will sehen, wie machtvoll die Dunkelheit in ihr ist.« Das Gesicht von Prinz Tarkan erschien.
»Ihr«, keuchte sie.
Er sah sie finster an. »Hört endlich mit dem Kämpfen auf! Entweder, Ihr lasst die Dunkelheit in Euch ein oder Ihr werdet sterben.«
Sie presste die Lippen aufeinander, unterdrückte ein weiteres Stöhnen, krümmte sich zusammen und spürte ihren Magen erneut rebellieren. Grob packte Prinz Tarkan ihren Kopf und hielt ihn über eine Schüssel.
»Es wird Euch nichts nützen. Ihr könnt die Dunkelheit nicht erbrechen.« Er wischte ihr den Mund ab und legte ein kühles Tuch auf ihre Stirn. Gierig saugte Levarda das Wasser in ihren Körper, um seine Energie erneut gegen die Dunkelheit zu schleudern. Weitere Schmerzwellen durchzuckten sie.
»Ihr seid unglaublich, jedes bisschen Feuchtigkeit nutzt Ihr für Euren Kampf.«
Er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.
»Nehmt endlich Vernunft an oder Ihr bekommt auch keine Flüssigkeit mehr.«
»Dann stirbt sie«, gab Eduardo zu bedenken.
»Dann ist es so.« Prinz Tarkan verließ den Raum.
Seufzend setzte sich Lord Eduardo an ihr Bett.
»Verräter«, stieß sie hervor.
Er sah sie traurig an und nickte.
»Warum?« Jedes Wort brannte in ihrem Mund.
»Weil ich gegen den Geist seiner Liebe nicht ankam.«
»Sie war eine
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