Licht und Dunkelheit
antworten, schwieg sie. Er setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches. »Und soeben wollte ich dir einen aufregenden Tag schenken.«
Sie lachte. »Auch damit bekommst du mich nicht weichgekocht.«
»Jede andere Antwort von dir hätte mich überrascht. Ich zeige dir, wie großzügig ich bin, und schenke dir den morgigen Tag, trotz deiner Ungezogenheit.«
Ihre Augen bekamen einen warmen Glanz. »Einen Tag nur wir zwei?«
Er seufzte. »Leider nein, aber ich bin mir sicher, es wird dir trotzdem gefallen. Du fährst morgen mit einem Boot nach Tinau, das ist eine Stadt, die Lethos gewidmet ist. Ich glaube, es wird für dich interessant sein, mehr über die Geschichte von Lethos zu erfahren. Wusstest du, dass er der Liebhaber von Lishar war, bis zu dem Moment, wo er sie für eine andere verstieß?«
»Ich kenne die Geschichte anders. Keiner konnte von dem anderen lassen und sie vergaßen ihre Pflichten gegenüber den Menschen, die von Hungersnöten, Krankheiten und Unwettern heimgesucht wurden. Die Ernten verdarben. Da erkannte Lishar, dass ihre Liebe den Menschen Leid zufügte, und sie beschloss, sich von Lethos zu trennen. Sie wurde zum Mond und er zur Sonne. Im Wasser und in der Erde finden wir ihre Liebe, in Feuer und Luft seine Leidenschaft. Nur in den kurzen Augenblicken, wenn der Tag zur Nacht oder die Nacht zum Tag wechselt, begegnen sich die beiden, und wenn sie sich lieben, erkennen wir das an dem Feuer des Himmels.«
»Das ist eine wesentlich sentimentalere Geschichte, für Frauen geeignet, allerdings lässt sie den Mann ohne Verstand erscheinen. Vermutlich ist das der Grund, warum ihr sie in eurem Land pflegt. Aber ich wusste bisher noch nicht, dass auch ihr Lethos verehrt.«
»Das tun wir nicht, wir sind Töchter von Lishar und lehnen die Gewalt, die Macht, das Feuer und den Wirbelsturm ab, dessen Hüter er ist.«
»Also wird auch jede Tochter, die ihre Energie aus einem dieser Elemente bezieht, abgelehnt?«
Sie seufzte, er hatte mit scharfem Verstand den Schwachpunkt ihres Volkes berührt, der Anlass für Debatten enthielt. Auch sie hatte Probleme bekommen, als der Rat der Ältesten erkannte, dass sie ihre Energie von allen vier Elementen bezog.
»Jedenfalls hast du recht, ich würde mich freuen, Tinau zu sehen.«
»Wunderbar. Du wirst mit Lord Eduardo fahren, er ist so großzügig, es dir zu ermöglichen.«
Sie lehnte sich zurück. »Lord Eduardo?«, dehnte sie den Namen laut.
»Hast du etwas dagegen? Ich bin davon ausgegangen, dass du seine Gesellschaft magst. Auf den Festen hast du viel Zeit mit ihm verbracht.«
»Ja, das stimmt.« Der perfekte Zeitpunkt, um Otis von dem Brief zu erzählen. Doch sie zögerte. »Vertraust du ihm?«, fragte sie stattdessen.
Er lächelte sie an. »Ich freue mich, dass du vorsichtiger geworden bist, mein Mondlicht. Ja, ich vertraue ihm voll und ganz. Es gibt außer Lemar, Sendad und Egris niemand anderen, dem ich ohne zu zögern dein Leben anvertrauen würde.«
»Dann freue ich mich und nehme dein Geschenk gerne an.« Sie stand auf und küsste ihn auf den Mund. Er zog sie zu sich heran, erwiderte ihren Kuss in einer Art, die sie die Welt um sich herum vergessen ließ. Er langte hinter ihr nach dem Buch. Sie setzte sich darauf, lächelte gespielt vorwurfsvoll.
Er grinste zurück. »Einen Versuch war es wert.«
Lord Eduardos Schiff war eine Barke mit Rudern und einem Mast, an dem ein Segel hochgezogen werden konnte, wenn der Wind günstig stand.
Ein tiefblauer Himmel versprach einen wunderschönen Tag. Levarda fühlte sich lebendig und musste eingestehen, dass es einen Vorteil bedeutete, die Frau von Otis zu sein.
Er und acht seiner Männer hatten sie zum Hafen begleitet. Sie konnte spüren, wie schwer es ihrem Gatten fiel, sie gehen zu lassen.
Geschickt balancierte sie über die Planke. Lord Eduardo reichte ihr die Hand, die sie nur annahm, um ihn nicht zu verletzen, und sprang leichtfüßig ins Boot.
Otis folgte ihr.
»Ich möchte Euch vier meiner Soldaten zur Seite stellen«, erklärte er Lord Eduardo, bevor dieser seinen Gruß erwidern konnte.
Levarda lachte. »Ich dachte, du würdest Lord Eduardo vertrauen?«
Er ging auf ihren leichten Ton nicht ein. »Das tue ich, dennoch fühle ich mich wohler, wenn dich meine Männer begleiten. Es macht Euch doch nichts aus, Lord Eduardo?«
»Auf keinen Fall macht mir das etwas aus, Lord Otis. Auch ich an Eurer Stelle würde eine Frau wie die Eure nicht aus den Augen lassen« er nahm Levardas Hand und
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