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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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fremde Flieger lag in tiefem Schlag. Seine Brust hob und senkte sich in gleichmäßigem Rhythmus. Die eine Hand hing schlaff über die Bettstelle herunter und berührte fast den Boden. Es war schon wieder etwas Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt und das blonde Haar hing ihm in leichten Wellen in die Stirn.
    Vorsichtig, um ihn ja nicht zu wecken, zog Anna das
    Deckbett bis zu seinem Kinn hinauf und ging leise wieder hinaus. Sie begann die Arbeit im Stall, ließ danach die Milch durch den Separator laufen und richtete das Butterfass her. Am Nachmittag musste der Vater kommen, um abzuholen, was sich angesammelt hatte.
    Der Tag war etwas trüb. Nur manchmal lugte für wenige Minuten die Sonne aus den Wolkenschleiern. Um die Flanken der Berge trieben Nebelfetzen.
    Anna setzte sich mit dem Butterfass auf die Bank vor die Hütte hinaus. Die Kühe weideten weiter unten im Grund, und einmal wanderte ein Rudel Rehe ganz gemächlich den Hang herunter.
    Auf einmal schrak sie zusammen, um dann zu lächeln. Das konnte ja gut werden, wenn sie vor jedem Schatten, der auftauchte, gleich derartig erschrak.
    Wer da unten aus dem Jungwald herauskam, war niemand anders als Emma. Vor ihr brauchte sie wirklich nicht zu erschrecken.
    Langsam kam Emma den Hang herauf, geradewegs auf die Alm zu. Als sie am Brunnen vorbeiging, bekreuzigte sie sich vor dem Kruzifix.
    »Wo hinaus denn heut schon, Emma?«, rief Anna ihr zu.
    »Nicht mehr weiter. Bloß dich hab ich heute aufsuchen wollen.«
    Annas Brauen schoben sich gleich nachdenklich zusammen. Sofort war sie misstrauisch. Hatte man vielleicht Emma geschickt, um zu spionieren? Sofort verwarf sie den Gedanken wieder und fragte: »Hast heut keine Arbeit?«
    »Doch, zum Angerer hätt ich gehen sollen. Aber heut hab ich mir gedacht, machst dir auch einmal einen freien Tag. Darf ich mich zu dir setzen?«
    »Freilich, setz dich nur her.« Hoffentlich bleibt sie nicht zu lange, dachte Anna. Im Laufe des Vormittags musste der Verwundete doch einmal aufwachen. Sie betrachtete Emma eingehender, die sich heute ganz manierlich herausgemacht hatte. Ihr Haar war sauber gekämmt, sie trug ein dunkelbraunes Lodenkostüm, das früher einmal Anna gehört hatte.
    »Dass du dich heut so gut angezogen hast?«
    »Gelt, schön?«, lächelte Emma und machte gleich darauf eine abwehrende Handbewegung. »Aber es hilft nichts. Es beißt keiner an.«
    »Deine ewige Sorge«, lachte Anna. »Lass dir doch Zeit, mittendrin kommt einer. Man muss bloß warten können.«
    »Das sagst du leicht. Wenn ich so aussehen würde wie du, braucht ich nicht zu warten. Und jeden mag ich auch nicht. Dem Loferer hab ich eine runtergezogen, als er frech worden ist.«
    »Dem Schleicher?«
    »Ja, stell dir vor – kommt der Kerl plötzlich am Abend, als es schon dunkel war, in meine Kammer und wollt von mir wissen, ob ihr eine Sau geschlachtet hättet. Und danach wollt er dann mit mir anbandeln.«
    »Das sieht ihm ähnlich.« Anna hob den Deckel des Rührfasses und schaute hinein. Der Rahm begann bereits grießlig zu werden.
    Die Emma plapperte weiter: »Ich bin zu dir raufkommen, Anna, weil du die einzige bist, zu der ich Vertrauen hab, und weil ich weiß, dass du es gut meinst mit mir. Ich möcht dich gern was fragen, Anna.«
    »Wenn ich dir helfen kann, gern, Emma. Um was dreht es sich denn?«
    »Ja weißt, das ist nämlich so. Seit gestern ist eine Kompanie Soldaten in Blockstein einquartiert.«
    »So? Deutsche?«
    »Freilich, was meinst denn du? Es kann sein, dass noch mehr kommen. Und da hab ich einen gesehen, der tat mir schon damisch gut gefallen. Ich hab vorm Häusl draußen gesessen und da ist er dreimal vorbeigegangen. Ein kleiner Dicker ist es. Er hat mich angelacht und ich hab ihn angelacht. Aber gesagt hat er nichts. Jetzt mein
    ich, ob das recht dumm ausschaut, wenn ich ihn anreden tät.«
    »Ja, das schaut dumm aus, Emma. Was möchtest denn auch schon sagen zu einem fremden Menschen?«
    »Ich hab mir halt gedacht, wenn ich ihn fragen tat, ob er nicht Lust hat, ein bissl reinzukommen zu mir. Wenn er nur einmal drin war in meinem Stüberl – «
    Anna hielt mit ihrer Arbeit inne und lachte.
    »Das kannst nicht machen, Emma. Ich versteh dich gar nicht. Das war zu forsch. Das könnt dir schlecht ausschlagen, Emma. Morgen vielleicht ziehen die Soldaten schon weiter und du bleibst zurück, um eine Erfahrung reicher. Schlag dir das nur aus dem Kopf.«
    Emma ließ verdrossen das Kinn sinken. Sie war so voller Hoffnung heraufgekommen,

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