Licht vom anderen Ufer
zerschlagen, denn Anna ließ zuweilen durchblicken, dass sie nie heiraten werde.
So floss Annas Zeit auf der Alm still dahin. Selten kam einmal jemand vorbei außer der alten Burgl, die immer wunderlicher wurde. Und doch war sie nun der einzige Mensch, dem Anna ihr Herz ausschütten konnte. Mit ihr konnte sie über Oliver reden. Die Alte hörte geduldig zu und versuchte in ihrer knappen, wissenden Art die bangen Zweifel des Mädchens zu zerstreuen.
»Wird halt nicht schreiben können«, meinte sie einmal. »Und vielleicht haben sie ihn gar nach Japan geschickt, weil ja dort der Krieg noch nicht aus war im Mai, so wie bei uns.«
Anna schöpfte wieder Hoffnung. »Ja, das könnt wohl so sein«, antwortete sie. »Aber meinst du, dass er noch einmal was von sich hören lässt?«
»Davon bin ich fest überzeugt. Du musst halt warten können und Geduld haben.«
Geduld wollte sie gerne haben. Und mit dieser Geduld im Herzen sah sie die letzten Sommertage durch das Tal lächeln.
Ja, der Sommer ging zu Ende, das ließ sich nicht leugnen. Das Wasser der Riss spiegelte zartblau die Farbe des Himmels, Schwalben flogen darüber hin, aber sie waren nicht mehr die sonnentrunkenen Sänger des Frühlings, sondern begannen bereits, sich auf den Telefondrähten zu sammeln, um sich für den Flug nach dem Süden zu rüsten.
Noch lag warmer Sonnenschein über den abgeernteten Feldern, die Tage waren noch durchleuchtet von sommerlicher Wärme, wenn sich auch da und dort aus dem dunklen Grün der Wälder das leuchtende Rot einer Buche hob und das Summen der Bienen leiser wurde und der Wind von den Bergen eine neue Melodie bekam.
Um diese Zeit zogen die letzten Amerikaner aus Blockstein ab. Die beschlagnahmten Häuser wurden wieder frei gegeben und auch Benedikt Löscher, der Wirt »Zu den vier Aposteln«, konnte nun mit seiner Frau, der Küchenmagd Julia und dem Hausknecht Alois seine Räume wieder beziehen, zum Kummer des Gastwirts Kammhuber, der inzwischen ein gutes Geschäft gemacht hatte.
Die Amerikaner hatten das alte, klosterähnliche Gebäude in einem sehr unordentlichen Zustand zurückgelassen. Überall, in jedem Zimmer, lagen Konservenbüchsen herum, die Betten in den Fremdenzimmern waren zerrissen und verschmutzt, die »Apostel«-Wirtin stand eine ganze Weile mit in die Hüften gestemmten Armen kopfschüttelnd in der großen Gaststube, wo man die Vorhänge offenbar dazu benutzt hatte, Schuhe damit zu putzen. Als sie sich genug gewundert und geärgert hatte, sagte sie zum Hausknecht: »Geh hinüber zur Emma und sag ihr, sie soll kommen und uns stöbern helfen.«
Die Emma saß gerade vor ihrem Häuschen und war froh, endlich einmal ein paar Tage ausruhen zu können. Sie dachte gar nicht daran, wieder als Tagelöhnerin zu gehen, sagte dies auch dem Hausknecht vom Löscher und deutete auf das Schild »Waschanstalt« über ihrer Tür.
»Ich hab eine Waschanstalt«, sagte sie stolz und flehte die ganze Zeit schon inbrünstig zu allen Heiligen, dass die Amerikaner nicht zurückkämen, um die vergessene Waschmaschine doch noch abzuholen, die man ihr zur Verfügung gestellt hatte.
Als ob es diesen reichen Amerikanern auf eine simple Waschmaschine angekommen wäre. Im Augenblick hatte sie zwar außer ihrer eigenen Wäsche nichts zu waschen, und als sie den Hausknecht wieder davongehen sah, hatte sie plötzlich einen Einfall, rief ihn zurück, schenkte ihm eine halbe Schachtel Chesterfield und trug ihm auf, sie würde zwar nicht zum Putzen kommen, dafür aber die ganze Wäsche des Gasthofes »Zu den vier Aposteln« übernehmen. Jawohl, sie sagte »übernehmen«, so wie eine Firma einen Auftrag übernimmt.
Der »Apostel«-Wirt schrie, krebsrot im Gesicht: »Schau sie dir an. Ist die sich vielleicht zu gut geworden, dass sie als Tagelöhnerin geht? Der werde ich was sagen.«
Jawohl, Emma war sich zu gut geworden, und sie sagte das auch dem Herrn Löscher ganz unverblümt und das auf eine so drollige Weise, dass sein Zorn verrauchte, zumal er ein starker Raucher war und auf dem Fensterbrett eine Schachtel Camel liegen sah.
»Tätst du mir die vielleicht verkaufen?«, fragte er.
»Verkaufen nicht, aber vertauschen. Dir kann ich ja nicht gut was schenken. Sagen wir zwei Pfund Schweinernes?«
»Ich muss erst schlachten.«
»Wann?«
»Morgen. Es wird ja höchste Zeit, dass wieder Schwung in meinen Laden kommt.«
»Also gut, dann zwei Pfund Schweinernes. Aber nicht zu fett. Ich hab sowieso zugenommen in letzter Zeit.«
Der
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