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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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möchte ich warten.«
    »Bis du alt und grau bist.«
    »Wenn es sein muss, ja. Er wird mir schreiben.«
    Thomas lachte hart und trocken auf. »Er wird wahrscheinlich bessere Briefe schreiben können als ich.«
    »Daran liegt es doch nicht, Thomas.«
    Er knöpfte seine Jacke zu und wieder auf. Der ganze Mensch war voller Verlegenheit und er wusste nicht, wo er die Hände hintun sollte. Dann hob ein schwerer Atemzug seine Brust.
    »Du hast Recht, Anna. Verlobt waren wir nicht miteinander. Es war jeder von uns ein freier Mensch. Ich muss mich halt jetzt damit abfinden. Aber dich verachten? Nein, Anna, das kann ich nicht. Das müsste ich höchstens, wenn du mir die Wahrheit verschwiegen und mich hättest weiter hoffen lassen. Es kommt halt einmal etwas über einen Menschen, wofür er nichts kann. Und wenn er sich noch so dagegen wehrt, das andere ist halt dann stärker und reißt ihn mit, entweder in den Abgrund oder in die Höhe. Behüt dich Gott, Anna.«
    Seine Stimme war jetzt doch ein wenig ins Schwanken gekommen und er trat ganz schnell hinaus in die Sonne. Vielleicht warf er das Gatter im Zorn so heftig hinter sich zu, damit sie es hörte, vielleicht aber war es nur aus seiner linken Hand geglitten, die ja gefühllos war.
    Das Sonnenlicht umflimmerte seine hohe Gestalt. Er ging schnell, um bald in den Schatten des Waldes zu kommen. Von dort herauf klangen noch eine Weile seine schweren Schritte auf dem steinigen Weg. Dann wurde es still. Nur die Herdenglocken klangen verschwommen von der Höhe herunter.
    Anna saß jetzt ganz still auf der niedrigen Hüttenstufe und die Tränen tropften auf ihre im Schoß verschlungenen Hände.
    Thomas aber war nur so weit gegangen, bis er genau wusste, dass Anna ihn nicht mehr sehen konnte. Dann warf er sich aufstöhnend ins Moos und verdeckte das Gesicht mit den Händen. Und unbekümmert des lieblichen Vogelgesangs, rief er seine Not anklagend in die grünen Zweige über sich, durch deren Lücken manchmal ein schmaler Streifen blauen Himmels sichtbar war.
    »Warum hast mich dann heimkommen lassen, Herrgott im Himmel? Unter der kühlen Erde wär mir jetzt wohler als so. Oh, Anna – was weißt denn du, wie ich mich nach dir gesehnt hab. Und nun ist mir dein Herz verloren gegangen. Was soll ich denn jetzt anfangen?«
    Niemand gab ihm Antwort auf seine Klagen. Nur der
    Wind flüsterte in den Zweigen und einmal hämmerte in der Tiefe des Waldes ein Specht, indessen die blauen Himmelsstreifen zwischen den Zweiglücken langsam eine zart rötliche Färbung annahmen.
    Der Sommer ging dahin.
    Thomas Staffner kam nie mehr auf die Hochalm, solange Anna dort oben war. Er kam auch nicht auf die Niederalm, auf die Anna ihre Herde in der ersten Septemberwoche wieder herunterbrachte.
    Jetzt kam für Anna erst die schlimme Zeit, denn hier erinnerte sie jeder Winkel an die Stunden ihres Glücks. Manchmal, wenn sie am späten Abend noch so dasaß und über alles nachdachte, dann meinte sie, die Tür müsste sich öffnen und Oliver würde hereintreten.
    Ach, es war alles wieder so lebendig geworden und je länger die Trennung dauerte, desto unverwischbarer wurde sein Bild in ihrem Herzen. Sie hätte jede Linie seines Gesichts nachzeichnen können und rief sich immer wieder seine zärtlichen Worte in Erinnerung. Sie wollte es einfach nicht glauben, dass ausgerechnet bei ihr das Glück nur als kurzer Gast verweilt habe, um nie mehr wiederzukommen.
    Und doch musste sie es glauben, denn von Oliver kam keine Nachricht. Anna suchte nicht nach den Gründen solchen Schweigens, sondern wartete und hoffte weiter.
    Und wie sie hoffte. Jedesmal, wenn der Vater auf die Alm kam, war dieser heiße Hoffnungsschimmer in ihren Augen, ob der Vater jetzt nicht in die Jackentasche griff, um ihr einen Brief auszuhändigen. Und wenn er die Jacke ablegte, und Anna einen Augenblick allein war, suchte sie schnell selber seine Taschen durch. Es war alles vergebens. Oliver schrieb nicht. Sie wusste nicht, dass er um diese Zeit noch gar keine Möglichkeit hatte ihr zu schreiben.
    Sie wusste überhaupt wenig von dem, was im Dorf
    unten und in der Welt draußen passierte. Der Vater war noch schweigsamer geworden und es war immer etwas wie ein stummer Vorwurf in seinen Augen, weil er wusste, dass Thomas sich zurückgezogen hatte. Und er hatte es sich immer so schön ausgemalt, dass Anna einmal in die große Sägemühle am Ortsrand von Blockstein einziehen würde, beneidet von allen um den schönen Besitz. Nun war dieser Traum

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