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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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Emma mit dreiundzwanzig Jahren endlich wissen wollte, wie es sei, in eines Mannes Armen liegen zu dürfen.
    Nachdem Alois einmal aus seiner Trägheit erwacht war und seine Arme tatsächlich hob, um sie um Emmas gutgepolsterte Hüften zu legen, wurde er von Emma nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Und das konnte sie. Ihre Wäscherei ging gut, sie verdiente an einem Tag mehr, als Alois in der ganzen Woche, sie dachte daran, ihn ganz zu sich zu holen. Das aber wollte Alois noch nicht, denn er führte auch in den »Vier Aposteln« ein recht beschauliches Leben. Immerhin wachte er aus seinem Phlegma ein wenig auf, trug jetzt immer gut gebügelte Hemden, und einmal wusch Emma zwei Tage für das Kaufhaus Holder nur, um gegen ihre Arbeit einen Anzugstoff einzutauschen, damit ihr Alisi wenigstens sonntags gut aussah, wenn sie miteinander an der Riss entlang spazieren gingen bis zu der Bank an der Sebastiansgrotte, an deren Lehne neuerdings ein Herz mit zwei Buchstaben C. u. Z. eingeritzt war, was wohl Charly und Zita heißen mochte.
    Und so taumelten diese letzten sommerseligen Tage in den Herbst hinein. Es kamen Tage mit Regen und Wind, der bald von Norden und dann wieder von Westen blies. Wie todmüde Reiter ächzten die Kastanienbäume auf dem Friedhof oben und wurden immer kahler in den Ästen, bis eines Morgens Schnee über den Wiesen lag. Er hielt sich freilich noch nicht, aber nach dem Sturm der letzten Nacht hatten die Bäume ihr buntes Kleid abgelegt und reckten nun ihre Äste, aller Pracht beraubt, in den grauen Himmel.
    Das war um die Zeit, als Barbara Rauschers Krankheit, die sie schon lange in sich trug, immer schlimmer wurde. Der Pfarrer Krandl wurde vom Doktor Hoter in den Goldenen Grund geschickt, weil er mit seiner ärztlichen Kunst bereits zu Ende war.
    Als der Pfarrer im Rauscherhof ankam, traf er niemanden an und musste sich den Weg zur Krankenstube selber suchen. Die Rauscherin hob mit Anstrengung die Lider. Dann zuckte es um ihren Mund.
    »Ach, sind wir schon so weit, Hochwürden?«
    »Nein, nein, liebe Rauscherin. Ich kam nur zufällig hier vorbei und wollte einmal nachschauen. Ist denn niemand bei Ihnen zu Haus?«
    Da stahl sich nochmals ein schüchternes Lächeln in das Gesicht der Kranken. »Die Mannsleut sind heut unterwegs zu einer wichtigen Arbeit. Aber das wissen Sie ja.«
    »Ich weiß nichts, liebe Rauscherin.«
    »Ach so, vielleicht sollte es auch für Sie eine Überraschung sein. Sie holen nämlich die Glocke, die sie versteckt haben. Und ehe ich die nicht noch mal läuten hör, möcht ich nicht sterben. Aber weil Sie schon einmal da sind, in Gottes Namen also: Manches in meinem Leben hab ich falsch gemacht und manches hab ich gutmachen wollen und es ist mir dann auch ins Verkehrte hineingeraten.«
    »Fällt es Ihnen schwer zu sprechen, Frau Rauscher?«
    »Nein, nein. So viel Luft hab ich schon noch beieinander. Danach brauch ich ja keine mehr.«
    »Und womit meinen Sie, sind Sie ins Verkehrte hineingeraten?«
    »Mit meinem Buben, dem Matthias. Immer hab ich versucht, aus ihm einen aufrechten Menschen zu machen. Aber er hat halt so was Hinterlistiges – so was Gieriges…«
    »Das hab ich aber noch nicht bemerkt an ihm.«
    »Das ist es ja, Hochwürden. Der Matthias kann lachen und im gleichen Atemzug denkt er, wie er einen anderen hereinlegen kann. Alles zu mir her, heißt es bei ihm.«
    Der Pfarrer schaute eine Weile zum Fenster hinaus. Der Wind bewegte die Äste des Apfelbaumes vor dem Fenster und ein paar Krähen zogen träge über den Hof. Dann beugte er sich wieder zu der Kranken nieder.
    »Das Wichtigste war doch der Wille, liebe Rauscherin, ihn anders lenken zu wollen.«
    »Ja, den Willen hab ich allzeit gehabt, aber meine Kraft hat nicht ausgereicht.«
    »Damit sollten Sie sich das Herz nicht schwer machen, liebe Rauscherin. Die anderen kleinen Irrtümer verzeiht Ihnen Gott gerne. Es sei denn, Sie hätten noch eine schwere Schuld, die sich nicht ohne weiteres von der Tafel wischen lässt.«
    »Nicht, das ich wüsst«, lispelte die Bäuerin nachdenklich. »Und das, was das Mädchen getan hat, das darf man mir nicht als Schuld anrechnen. Dafür kann ich nichts.«
    »Die Anna? Ich weiß, was Sie meinen. Wer darf hier von Schuld sprechen?«
    »Die Leute reden ja doch und der Statiner Thomas will auch nichts mehr von ihr wissen.« Sie versuchte sich aufzurichten, was ihr sichtlich Mühe machte. »Sie könnten nicht einmal mit dem Thomas reden, Hochwürden?«
    »Soll das eine Bitte sein,

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