Licht
zu werden. Die Bereitschaft für das Glück und die Kraft dazu sitzt ziemlich locker neben der Gewißheit, schön zu sein und nur einmal zu leben. Dole ist schön, und sie wird nur einmal gelebt haben. Nichts ist mißverständlich. Sie liebt, das ist alles. Es ist zuviel. Es ist nicht genug. Ihr Leben mit mir ist nur eine Möglichkeit, in die sie einmal alles hineingeworfen hat.
Sie fährt für ein paar Tage weg, um glücklich zu sein – warum muß sie durch die Hintertür fort? Ist das Glück, das nackte, reißende Glück, nur außerhalb der gewöhnlichen Ordnung möglich? Warum ist die gewissenlose Begeisterung, der restlose blinde Jubel nur möglich, wenn der Tag ausgeschaltet wird? Warum verläßt sie das Haus, Bett und Beruf und verteidigt den Rausch durch eine gewöhnliche Täuschung? Handelt es sich um einen Rausch? Ist die Nacht nur möglich ohne den Tag? Mir ist kein Mensch bekannt, der dieses Glück nicht dreimal gesucht und wenigstens einmal gefunden hätte. Aber Dole? Warum? Sie täuscht mich, sie ist nicht gewissenlos. Ihr bleibt nichts als Täuschung, solange sie von Widersprüchen zerstört wird. Was ist das für ein Leben, das im Ausbruch lebendig wird? Was sind das für Verhältnisse, die den Ausbruch notwendig machen?
Wo sind wir hingekommen? Gibt es uns noch? Bodenlose Ambivalenz.
Ich werde sie wieder beobachten; werde wissen wollen, woher sie kommt. Aber heute, vielleicht nur einmal ist es wichtig zu wissen, daß Dole liebt.
Nichts läßt sich halten.
Sie kommt in drei Tagen zurück.
An Reiseabenden lag ich auf einem Hotelbett und überlegte, ob Dole in meiner Wohnung gewesen sei, dort eine Weile geraucht und geschlafen, vielleicht eine Nacht in meinem Bett verbracht habe, nackt auf dem Bauch, so daß ihr Geruch in den Tüchern war, wenn ich zurückkam. Ihr Geruch wechselte mit der Jahreszeit, in manchen Nächten roch sie nach Laub und Honig. Sie überfiel mich mit verschiedenen Parfüms und wollte wissen, welches das richtige sei, für meine Nase sowohl wie für ihre Haut. Sie duftete nach Nüssen und Wein, nach Ambra, Cola, unbestimmbarer Tropik. Sie roch am besten, wenn sie nicht parfümiert war, ein Duft von frischem Brot auf Bauch und Schenkeln. Als wir in einem Steakhouse gegessen hatten, ihr Haar in der Nachtluft nach Bratfett roch und ich so leichtsinnig war, ihr das zu sagen, ließ sie mich nicht in ihre Nähe, bis sie, nachts noch, die Haare gewaschen hatte. Es gefiel ihr, wenn ich an ihrer Haut roch, und sie konnte enttäuscht, erstaunlich beunruhigt sein, wenn ich es unterließ. Sie war vielleicht in meine Wohnung gekommen, um ein paar Kleider zu holen (meine Wohnung war voll von ihren Schuhen, Jacken, Armbändern, Büchern und Sommermänteln). Sie hatte Blumen auf meinen Tisch gestellt, selbstgepflückte Sträuße aus Feldwaldwiesenzufall oder Astern und Strohblumen von einem Wochenmarkt. Sie war auf einen Sprung in die Wohnung gekommen, um ein paar Weinflaschen in den Eisschrank zu stellen, oder sie war ohne Grund gekommen, obwohl ihr das Hochhaus nicht sympathisch war. Sie saß ein paar Minuten an meinem Tisch und sah aus dem Fenster in der Hoffnung, ich könne auf den Gedanken kommen, von Birmingham aus bei mir anzurufen. Ich selber war in ihrer Wohnung gewesen, mehr oder weniger ohne Grund, mehr oder weniger aus Zufall oder um mich ihrer Gegenwart zu vergewissern, wenn sie ohne Nachricht verschwunden war. Wir mochten das gegenseitige Vergewissern, Dole legte sogar Wert darauf, denn unsere Besuche hinterließen Spuren, die überraschend und beruhigend waren. Männer, die keine Spuren hinterlassen, sind unbegreiflich, sagte Dole, und meinte die Sachen aus der Wundertüte, Glückswürfel, aufziehbare Elefanten, Windräder oder Papierrosen, die ich vor ihren Flurspiegel legte. Und sie meinte die viermal gefalteten Zettel, auf denen Freude und Leichtsinn geschrieben stand und die sie las bevor sie den Mantel auszog. Ich habe auch deine unabsichtlichen Spuren gern (sagte Dole), verschüttetes Salz auf dem Küchenfußboden, ein Teelöffel auf meinem Schreibtisch, das verrutschte Kopfkissen. Ich mag es, wenn du dich angezogen auf mein Bett legst, da fällt das Kleingeld aus deinen Taschen, und ich suche es auf der Decke zusammen, vier Mark siebzig für einen Mittagsschlaf ohne mich. Die leeren Wohnungen waren lebendig, solange feststand, daß einer zum anderen zurückkehrte. Es war schön, in Doles Wohnung an Dole zu denken und ihre herumliegenden Kleider in die Hand zu nehmen. Es
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