Lichtbringer - Lichtbringer
brauchten viel Kraft, um eine Blase zu erzeugen, die ihre Insel von der lebensfeindlichen Leere ringsum abschloss. Dafür waren sie nicht nur ihren Feinden entkommen, sondern auch den gewaltigen Kräften an der Oberfläche, die den fliegenden Wald endgültig in Stücke gerissen hätten.
Frafa zog die Knie an und umfasste sie mit den Armen.
Der Wald mochte heilen. Was war mit ihr?
Sie trug ein langes Kleid, das die Elfen ihr geschenkt hatten. Ein Elfengewand aus glattem weißem Taft mit einem rosigen Schimmer, der mitunter ins Violette spielte, je nachdem, wie das Licht auf das Gewebe fiel und den Seidenglanz zur Geltung brachte. Für eine Nachtalbe wäre das Farbenspiel gewagt gewesen, aber Frafas Haut war noch immer hell, und das Haar floss ihr silberblond über die Schultern. Sie sah ihre bloßen blassen Unterarme auf dem glatten Stoff, die glitzernden Haarsträhnen, die ihr bis zur Hüfte reichten, und konnte fast glauben, eine andere zu sein. Keine Elfe, doch auch keine Albe mehr.
Viele Tage hatte sie bei den Elfen gelebt, und ihre Verkleidung war längst überflüssig geworden. Warum hatte sie daran festgehalten? Jetzt war sie in dieser Erscheinung gefangen. Es hätte eines Zaubers bedurft, um ihr Aussehen wieder zu verändern, und Frafa konnte keine Zauber mehr wirken. Alle Magie war aus ihr herausgebrannt, seitdem sie sich im Netz des Waldes verausgabt hatte.
Tatsache war, es hatte ihr gefallen, eine andere zu sein. Und passte es jetzt nicht umso besser? Sie hatte alles verloren, was sie einstmals gewesen war, nicht nur ihren Rang und ihre Stellung, sondern inzwischen sogar ihre Magie. Ihr Aussehen war das sichtbare Zeichen eines Neuanfangs - fast eine neue Geburt. Wenn sie alles hinter sich ließ, war es dann nicht besser, wenn man das auch sehen konnte?
Licht flutete über den Wald, ein kaltes, hartes Leuchten, doch der Himmel in der anderen Richtung blieb schwarz. Porfagilia drehte sich, und vor Frafa, in der Tiefe, erschien eine dunkle Welt, an deren Rand sich soeben ein Sonnenaufgang abzeichnete. Als goldene Sichel schnitt der anbrechende Tag in die nachtverhangenen Landstriche.
Die Sonne, die über den Rand der Welt stieg, erhellte auch Porfagilia. Der magische Schirm, der um die Siedlung lag wie eine Blase, fing das Licht, verteilte es und milderte es ab. Bald blickte Frafa in ein perlweißes Firmament, hinter dem sich noch immer schattenhaft die Gestirne und der Planet unter ihr abzeichneten.
Barsemias trat aus dem Wald, stellte sich an die Böschung und sah hinab.
»Wie geht es dir?«, fragte er. »Du kannst dich hier nicht in die Tiefe stürzen. Der Wald würde dich zurückholen.«
Frafa lachte. »Das habe ich nicht vor«, sagte sie. »Es geht mir gut.«
»Wirklich?«, fragte Barsemias. »Ich weiß, wie ich meine Magie verloren habe. Auf der Polizeiwache in Bitan. Das war schlimmer als der Tod. Es war, als wäre ein Teil aus mir herausgeschnitten.«
Wie die Alben waren auch die Elfen Geschöpfe der Magie - der Leib nur eine Ausprägung der Aura, nicht umgekehrt wie bei niederen Lebewesen. Frafa war selbst überrascht, wie wenig ihr der Verlust ihrer Magie, eines Teils ihres Seins, bedeutete. Doch andererseits, die meisten Alben und Elfen genossen niemals jenen Zugang zur ätherischen Ebene, an den Frafa gewöhnt war, und sie lebten doch.
»Ich werde mich erholen«, sagte sie. Sie zog Barsemias an der Hose, damit er sich setzte. »Meine Magie wird zurückkehren. Deine Heilerin hat es gesagt.«
»Aber wann?«, fragte Barsemias. »Das vermochte sie nicht einmal zu schätzen.«
Frafa zuckte die Achseln. »Es ist nur Zeit. Wie kommst du darauf, dass ich mir über Zeit Gedanken mache?«
Er sah sie an, und sie lächelte schalkhaft. »Nein, nimm das nicht so ernst. Wenn meine Aura erst einmal anfängt, sich zu erholen, wird es schnell gehen. Ich habe Zauber dort eingewoben, die auch ohne mein Zutun für Heilung sorgen. Es muss nur wieder genug Essenz dafür da sein. Und bis dahin ...«
Frafa schaute über die Böschung nach unten, wo der leuchtende Schirm um den Elfenwald blass war und das Licht erträglich. Die Welt unter ihnen, die schmale Morgensichel, stand dort hell genug, um den Himmel des Elfenwaldes zu überstrahlen.
»Und bis dahin«, fuhr Frafa fort, »ist es wie eine Rast. Eine erzwungene Pause, aber es fühlt sich gut an. Die Flucht war so wild, vermutlich musste ich vor einen Baum laufen, um zur Ruhe zu kommen.«
Schweigend sahen sie zu, wie die Welt, die sie verlassen hatten,
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