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Lichtbringer - Lichtbringer

Titel: Lichtbringer - Lichtbringer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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Knochensplitter ragten aus der Wunde, eine eingenähte Panzerplatte hing nur noch an einigen Fäden von der Jacke herab.
    Swankar taumelte. Frafa sah Rudrogeit hinter ihr stehen, die großkalibrige Waffe locker in den Händen. Rauch kam aus der Mündung.
    »Tausend Jahre sind genug«, hörte sie ihn sagen.
    »Nein!« Mühsam löste Frafa sich von dem Baum. Sie streckte die Hände aus und kroch zu Swankar hin, die in die Knie brach. Rudrogeit schwenkte die Waffe. Frafa hörte die Schüsse nicht, aber sie spürte den Schmerz in ihrem Bein, einen Schlag gegen die Schulter, der sie wieder zurückwarf. Dann verlor sie das Bewusstsein.
 
    Frafa hatte Zauber in ihren Leib gewoben, die nicht zuließen, dass sie gegen ihren Willen lange die Besinnung verlor. Es konnte nur einen Augenblick gedauert haben, doch als sie die Augen wieder aufschlug, lag Swankar tot da, mit dem Gesicht nach unten, und Rudrogeit trug das Gewehr über der Schulter. Es war die Waffe des Goblins, und der Vampir hatte sie gerade zum zweiten Mal gerettet.
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Während ihr Geist den Schock abschüttelte, kroch der Schmerz durch ihre Gliedmaßen, und fast wäre sie wieder bewusstlos geworden. Sie konzentrierte sich, spürte, wie die Wundränder sich aneinanderschoben, wie zerfetzte Gefäße sich schlossen und wie ein Knochen in der Schulter zusammenwuchs ... Nein, wie sie ihn neu bildete, denn die Kugel hatte das Gelenk in viel zu kleine Trümmer zerschlagen.
    Dann hob Frafa den Kopf und blickte ihren Bruder an, über den toten Leib ihrer Mutter hinweg. Swankar war tot. Frafa sah, wie die Aura sich zersetzte und sich im fremden Boden, in der Luft verlor.
    »Was hast du getan?«, fragte sie.
    »Nur ein paar Fleischwunden«, sagte Rudrogeit. »Ich habe die Ladung runtergedreht. Ich musste verhindern, dass du etwas Dummes tust. Sie wieder zusammenflicken, zum Beispiel.«
    Frafa blinzelte. Nur träge sickerten die Worte in ihr Bewusstsein.
    »Nein«, erwiderte sie dann. »Nicht diese Schüsse. Ich meinte ... deine Mutter. Du hast sie erschossen, Rudrogeit!«
    »Oh.« Rudrogeit riss theatralisch die Augen auf. »Wer hätte das gedacht. Du erkennst mich!«
    Frafa stützte sich auf und kam mühsam auf die Füße. »Natürlich kenne ich dich«, sagte sie. »Ich habe euch nicht aus den Augen verloren. Ich habe ... Mutters Karriere verfolgt, über all die Jahre.«
    »Wohl kaum aus familiärer Bindung, meine große Schwester.« Rudrogeit verzog die Lippen.
    »Ich habe aufgepasst, wo ihr gerade seid, und bin euch aus dem Weg gegangen«, sagte Frafa. »Ich dachte mir, so wäre es am besten für uns alle, kleiner Bruder.«
    »Vermutlich«, erwiderte Rudrogeit. Er nickte in Swankars Richtung. »Sie war nicht so klug. Sie hat wohl auch deinen Werdegang verfolgt, und ich fürchte, sie hat dich gehasst.«
    »Warum?« Frafa konnte nicht glauben, dass Swankar überhaupt ein so starkes Gefühl für sie gehegt hatte.
    Rudrogeit zuckte die Achseln. »Sie war eine Nachtalbe. Nachtalben sind so.«
    Frafa wollte empört widersprechen, aber ein Blick in Rudrogeits tote Augen schnürte ihr die Kehle zu. Die rote Iris schwamm darin wie ein Tropfen Menschenblut in einem kristallklaren Bergsee.
    Rudrogeit lachte. »Was?«, fragte er. »Widersprich mir ruhig, wenn du kannst. Sag, dass du anders bist. Als vierzehnjähriger Jüngling hatte ich solche Träume. Ich lernte eine Nachtalbe kennen, die zerbrechlich wirkte, voller Gefühl und ganz anders als Mutter. Und ich dachte, hey, das ist meine Schwester. Wir können Freunde werden! ... Nun, du weißt, was du mir damals beigebracht hast. Danach kam ich zu dem Schluss, wenn alle Nachtalben so hart und so kalt sind, bleibe ich lieber bei meiner Mutter. Die sorgt wenigstens für mich.«
    Frafa öffnete den Mund, schüttelte schließlich den Kopf. Ganz gegen ihren Willen stieg ein Lachen in ihr auf. Litiz, ihre Mutter, Rudrogeit und sie selbst vermutlich auch - es gab so wenige Völker, die der Zeit trotzten und davon unberührt blieben. Hatten sie denn alle nichts Besseres zu tun, als die kleinlichen Verletzungen ihrer Jugend durch die Jahrhunderte zu tragen und lebendig zu halten? Hilflos hob sie die Hände.
    »Rudrogeit«, sagte sie. »Es tut mir leid. Ich entschuldige mich bei dir. Ich entschuldige mich bei allen, denen ich jemals mit einer unbedachten Tat oder Geste Leid zugefügt habe. Aber willst du mir wirklich erzählen, dass du tausend Jahre lang deiner Mutter gefolgt bist und ein freudloses Leben

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