Lichtbringer - Lichtbringer
Händedruck, eine menschliche Geste und doch ein akzeptabler Ausdruck von Nähe und Vertrautheit, der über den üblichen Gruß unter Nachtalben hinausging.
Achtalon sah sich im Lesesaal um, als müsse er sich vergewissern, ob jemand Zeuge dieser Begegnung wurde. Aber der Raum war fast leer, und an den Tischen im Umkreis saß niemand. In den Instituten, die sich der Erforschung der Magie widmeten, traf man wenige Menschen an und sehr viele Alben. Zur Mittagsstunde herrschte kaum Betrieb.
»Ich habe zufällig erfahren, dass du hier bist. Du hättest ruhig bei mir vorbeischauen können, wenn du schon im Hause bist.«
Frafa spitzte die Ohren und versuchte herauszufinden, ob ein Hauch von Vorwurf in Achtalons Tonfall lag oder bloße Höflichkeit. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, was sie darauf antworten sollte, denn in Wahrheit hatte sie gar nicht daran gedacht.
»Das ist keine Stunde für Besuche unter Nachtalben«, sagte sie schließlich. »Und hätte ich gewusst, dass du vormittags arbeitest, hätte ich dich erst recht nicht stören wollen. Du bist ein vielbeschäftigter Mann. Ich muss es wissen, denn ich saß eine ganze Weile auf deinem Stuhl.«
»Ja«, sagte Achtalon, »das war eine andere Zeit. Inzwischen ist die Fakultät ein wenig verschlafen.«
»Du langweilst dich?«, fragte Frafa.
Er schüttelte den Kopf. »Viel Zeit für die Forschung. Es gibt immer etwas, das man lernen kann.«
Achtalon war ein Theoretiker. Sein magisches Potenzial war denkbar schwach entwickelt. Dennoch hatte er sich durchgebissen, hatte seinen Platz unter den Zauberern gefunden und war auf seinem Gebiet eine anerkannte Koryphäe geworden. Er forschte in der Geschichte und in den Zusammenhängen der Magie, feldübergreifend, und dies hatte ihn letztendlich zum idealen Leiter der gesamten Fakultät gemacht. Er konnte zwischen den Instituten vermitteln, weil er kein Fachgebiet bevorzugte. Und im ständigen Geschacher um Stellen und Mittel kannte er sich überall gleichermaßen gut aus und ließ sich nichts vormachen. Die Inhaber der Lehrstühle lernten rasch, dass es meist peinlich ausging, wenn man ihn während der Fakultätskonferenzen mit überzogenen Forderungen überrumpeln wollte.
»Wann warst du eigentlich zum letzten Mal hier?«, fragte er. »Seit meiner Amtseinführung jedenfalls nicht.«
Auch nicht zu seiner Amtseinführung, ging es Frafa durch den Kopf. Die musste ungefähr vierzig Jahre zurückliegen. War es das, was er in Wahrheit ausdrücken wollte?
Nein. Frafa hatte weder Zeit noch Lust, Gedanken an eine Beziehung zu verschwenden, die schon flüchtig gewesen war, als sie angedauert hatte. Wenn Achtalon dem mehr Bedeutung beimaß, umso besser. Er war genau der Ansprechpartner, den sie jetzt brauchte, und sie konnte diese Begegnung genauso gut für ihre Zwecke nutzen.
»Achtalon«, sagte sie. »Ich suche etwas. Vielleicht kannst du mir helfen.«
Sie setzte sich wieder, und Achtalon nahm schräg gegenüber Platz, damit ihm die Bildtafel des Lumenars nicht den Blick versperrte.
»Es muss wichtig sein«, sagte er, »wenn du eigens deswegen wieder in die Akademie kommst.«
Frafa beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte: »Ich wurde überfallen. Heute Morgen in meinem Schlafzimmer. Auf magische Weise.«
Achtalon sah sie an. »Ein magischer Überfall? Auf dich?« Er lachte, aber Frafa sah den Schrecken hinter seinen ausdruckslosen Albenaugen. »Du bist die mächtigste Zauberin von Daugazburg. Tausend Jahre alt, ehemalige Direktorin der Akademie, langjährige Dekanin der Ätherischen Fakultät. Ganz zu schweigen von den Dingen, die man sonst über dich hört ... vor meiner Zeit. Wer wäre so verrückt, dich zu einem magischen Duell herauszufordern?«
»Kein Duell«, sagte Frafa. »Es war ein heimtückischer Anschlag, vermittels einer Magie, mit der ich nicht vertraut bin. Ich dachte mir, wenn ich mehr über den Zauber herausfinde, erfahre ich auch mehr über den Zauberer. Und ...« Sie zögerte. »... ich bin nicht die mächtigste Zauberin in Daugazburg.«
Achtalon blickte sich noch einmal um im Saal. Sein Blick verweilte einen Augenblick lang auf jedem einzelnen Alb in Sichtweite. Dann wandte er sich wieder Frafa zu. »Aldungan?«, flüsterte er.
»Gulbert weilt derzeit auch in der Stadt.«
»Was für ein Zauber war es?«
»Schatten«, sagte Frafa. »Weißt du etwas über Schatten, die Körper und Aura angreifen können?«
»Die meisten Schattenzauber sind Illusionen«, erwiderte Achtalon, nun ganz im
Weitere Kostenlose Bücher