Lichtbringer - Lichtbringer
ihn im Nexus förmlich berühren.
Gulbert brauchte das Artefakt nicht, um in den Nexus vorzudringen, er benötigte nur Aldungans Portalverbindung. Dann projizierte er seinen ganzen Geist dorthin. Der Kristall, der diese Verbindung eigentlich herstellen sollte, war nun zwischen Gulberts körperlicher Aura und seiner überwältigenden Präsenz im Äther eingeschlossen, und Gulbert beherrschte ihn vollkommen.
Der Nexus war eine unwirkliche Region, in gewisser Hinsicht eine bloße Matrix im Äther, der man Informationen aufprägen konnte. Doch wenn ein Zauberer diesen Ort aufsuchte, empfand er ihn als wahrhaftigen Raum, als einen wandelbaren Raum, dessen Erscheinung durch bloße Gedanken geformt werden konnte.
Als Gulbert dorthin gelangte, erlebte er ein Chaos von brodelnden Farben, von Klängen, Gerüchen und Gefühlen. Ein schwacher Geist konnte sich auflösen in dieser Wirrnis, aber Gulbert grenzte sich ab und gestaltete die Welt um sich her. Der Nexus wurde schwarz und leer, dann formte Gulbert einen Boden und einen Himmel, und schon bald stand er in einer braunen Wüstenei, die sich an einem grauen Horizont verlor.
Gulbert verwendete einige Mühe auf sein Erscheinungsbild. Ganz von selbst schuf sein Geist die Illusion eines Gulbert, eines weißhaarigen bärtigen Zauberers in menschlicher Gestalt. Gulbert presste dieses Abbild zusammen, bis es schlanker wurde. Die Haare verschwanden aus dem Gesicht, die Haut wurde dunkler, und Gulbert prägte dem Nexus und seinem eigenen Avatar das Bild eines Nachtalben auf - Aldungan!
Er prüfte das Bild, das er geschaffen hatte, und war zufrieden. Erst jetzt übte er seine Kontrolle über den Portalstein aus und wählte damit den Empfangscode seines Zieles an.
Er wartete.
Er wartete lange, viel zu lange. Gulbert trennte die Verbindung und wählte noch einmal. Dann, als er schon fast aufgeben wollte und glaubte, sie sei zu misstrauisch, erschien eine winzige Gestalt ganz fern am künstlichen Horizont.
Gulbert war überrascht. Der Raum hier war nicht wirklich, was man sah, war Täuschung und Symbol zugleich. Sie hätte also vor ihm stehen sollen, sobald sie das Gespräch annahm. Gulbert wusste nicht, wie sie es zuwege gebracht hatte, in diesem vorsichtigen Abstand vor ihm zu erscheinen.
Er bewunderte sie für diesen Kunstgriff, doch dann legte er ein Lächeln auf Aldungans Gesicht und hob grüßend die Hand.
»Frafa«, ließ er seinen Avatar sagen. »Du hast lange gebraucht.«
Die Nachtalbe kam auf ihn zu. Sie trug die grün schimmernde Robe vom Abend zuvor und hielt beide Hände am Abbild eines Portalsteins, den sie an ihrer Brust trug, als müsse sie die Verbindung mit Mühe aufrechterhalten. Gulbert las Unsicherheit aus dieser Geste.
»Ich war nicht an einem Ort, an dem ich sicher hätte sprechen können«, erwiderte sie.
»Nun, wie auch immer«, ließ Gulbert Aldungan sagen, während sein Geist bereits damit beschäftigt war, unter dem imaginären Boden andere Dinge wachsen zu lassen. »Jetzt bist du ja hier. Heute Morgen war das nicht der Fall. Ich habe mich schon gefragt, warum du so schnell verschwunden bist. Wir hätten sicher ein wenig Zeit gefunden, uns zu unterhalten, nachdem die Gäste fort waren.«
Frafa legte den Kopf schräg. Sie musterte ihn aus den Augenwinkeln. Schöpfte sie Verdacht?
Gulbert beschloss, jetzt zuzuschlagen.
Die Erde riss auf, Dornenranken schossen empor. Im Nu lagen sie über der unwirklichen Ebene wie ein Netz, dehnten sich bis zum Horizont und wanden sich umeinander. Frafa zuckte zusammen, drehte sich um, aber schon umschlangen die Ranken ihren Leib. Dornen, gebogen und scharf wie winzige Säbel, bohrten sich durch ihr Kleid und in ihre Haut. Gulbert ließ sie wachsen und tief in Frafas Fleisch schneiden. Rankenschlingen zogen sich zusammen, schoben sich gegeneinander, um die Essenz der Nachtalbe zu zerreißen ...
Frafa verschwand.
Gulbert schrie wütend auf, und es war seine Stimme, die über das Rankenmeer unter dem grauen Himmel des Nexus hallte. Um ein Haar hätte er seine Tarnung als Aldungan vernachlässigt. Er nahm sich zusammen. Die Albe musste noch da sein ... Irgendwo verborgen.
Er ließ die Ranken durch die Luft schnellen wie Peitschen. Ausläufer schossen empor. Nur Gulberts Avatar stand unberührt inmitten des Infernos, und er ließ seinen Geist in allen Zellen des Nexus nach seinem Opfer suchen.
Frafa war fort.
Gulbert musste es hinnehmen, wenn er nicht davon ausgehen wollte, dass sie den Nexus besser beherrschte
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