Lichtbringer - Lichtbringer
hatte? Das lag eine Ewigkeit zurück!
Litiz ging zum Fenster, stellte sich mit dem Rücken davor, sodass die grellen Lichtstreifen ihre Gestalt umrahmten und Frafa sie nur noch als dunklen Umriss wahrnehmen konnte. »Weißt du, dass es Jahre gedauert hat, bis ich herausfand, was passiert ist? Oh ja, es gab von Anfang an Gerüchte, wie Bleidan gescheitert ist, aber Gerüchte gibt es immer. Jeder behauptet, etwas zu wissen, und jeder erzählt etwas anderes. Als die Heimlichtuerei ein Ende hatte und die Wahrheit herauskam, warst du längst Kanzlerin von Daugazburg.«
Die Worte trafen Frafa wie ein Stich ins Herz. Sie selbst hatte Bleidan damals verraten! Aber hatte sie eine Wahl gehabt? Über diese Frage hatte sie selbst lange genug nachgedacht, bis sie beschloss, dass es sinnlos war, über die Vergangenheit zu grübeln.
Langsam erhob sie sich. »Was willst du von mir, Litiz?«
»Was ich von dir will? Du willst etwas von mir! Darum bist du doch hergekommen. Aber hast du dir jemals überlegt, was du mir schuldest?«
Frafa spreizte die Finger, schloss sie wieder. Warum sprach Litiz jetzt davon? Wollte sie Rache? Die Waffe lag unbeachtet auf dem Tisch, und das war ein Glück. Frafa wusste nicht, ob sie die Kraft oder den Willen aufbrachte, etwas gegen Litiz zu unternehmen, wenn es nötig werden sollte. Sie senkte den Kopf.
»Es tut mir leid, Litiz. Ich habe es bedauert, fast im gleichen Augenblick, wo es geschehen ist. Aber was sollte ich tun? Ich habe selbst am meisten darunter gelitten. Du musst es mir nicht vorhalten, denn ich habe den Preis dafür schon lange bezahlt.«
Litiz konnte das vielleicht nicht verstehen. Frafa war bis an die Spitze aufgestiegen, sie hatte nicht nur eine, sondern viele Karrieren gemacht. Für Litiz mochte es so aussehen, als wäre der Verrat an Bleidan der erste Schritt auf ihrem Weg nach oben gewesen. Nur Frafa wusste, dass es der letzte Schritt gewesen war, der letzte Fehler, den sie aus Nachlässigkeit und aus kindlicher Schwäche gemacht hatte. Wie sollte sie Litiz erklären, was die Geschehnisse für sie selbst bedeuteten?
»Ich habe Bleidan geliebt«, sagte sie.
Litiz lachte auf. »Geliebt? Du warst ein Kind und hast ihn angeschwärmt! Was hast du schon verstanden von der Liebe? Was verstehst du heute davon? Du bist so sehr eine Nachtalbe, und selbst wenn du deine Taten beklagst, denkst du nur an dich selbst. Hast du dir je überlegt, was es für andere bedeutet? Was du anderen angetan hast? Wer den Preis für deine Taten bezahlt?«
Frafa starrte Litiz' Schattenriss vor den grellen Sonnenbalken an, bis ihr die Augen tränten.
»Du warst in Bleidan verliebt?«, stieß sie hervor, und es gelang ihr nicht, die Fassungslosigkeit aus ihrer Stimme zu verbannen.
»Ich kannte Bleidan schon lange. Seit Jahren. Er und seine Freunde kamen zu mir, wir saßen beisammen und haben uns unterhalten - noch bevor du geboren warst. Woher willst du wissen, was ich für Bleidan empfunden habe?«
»Aber du ...« Frafa verstummte.
Litiz trat vom Fenster weg, kam auf sie zu.
»Ich hatte keine Magie, und Bleidan war ein Meister? Oh ja, ich weiß. Ich wusste es nur zu gut. Ich hatte nichts zu erwarten, nichts zu erhoffen. Aber Bleidan sprach von Fortschritt, und die Zeiten haben sich geändert. Wäre Bleidan heute hier, würde dann das, was damals zwischen uns stand, noch eine Rolle spielen?«
Litiz blieb vor dem Tisch stehen, an dessen Schmalseite Frafa stand. Sie senkte die Stimme und sah Frafa in die Augen.
»Aber Bleidan ist nicht mehr hier. Du hattest kein Recht, ihm das Leben zu nehmen und dann um ihn zu trauern, als wäre er dein Eigentum gewesen, als ob du ihn verloren hättest. Du hattest kein Recht, mir meine Hoffnung zu nehmen.«
Sie standen da, die Gesichter nur eine Handbreit voneinander entfernt. Frafa fühlte sich elend und benommen. Sie spürte Litiz' Atem auf der Wange und wollte zurückweichen, aber sie wusste nicht, ob das nicht alles noch schlimmer machen würde.
Es war nachtalbisch, Nähe zu meiden.
»Was willst du?«, flüsterte sie. »Es ist lange her, und es ist nun einmal geschehen.« Sie strich mit dem Finger über die Schreibtischplatte, wies flüchtig in Richtung der Bildtafeln. »Seit Bleidans Tod habe ich versucht, seinen Traum zum Leben zu erwecken. Den Fortschritt. Ein neues Daugazburg. Die Welt hat sich geändert, wie er es wollte. Aber seinen Tod kann ich nicht ungeschehen machen, und ich kann nicht ungeschehen machen, was damals passiert ist. Was also soll ich
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