Lichtbringer - Lichtbringer
Fahrer zwei Häuserblocks von ihrem eigentlichen Ziel entfernt anhalten. Den Rest des Weges legte sie zu Fuß zurück und wechselte dabei mehrmals die Straßenebene. Damit konnte sie einen Verfolger vielleicht nicht abschütteln, aber ganz gewiss würde sie ihn bemerken.
Unbehelligt gelangte sie zu einem niedrigen, kaum sechzigstöckigen Geschäftshaus ohne eigene Hochstraßenanbindung am Rande der Innenstadt. Leuchtende Laufbuchstaben zogen sich in Spiralen um die Fassade und verkündeten die Namen der hier ansässigen Firmen: Cortado - Zuckerland - Flederhaus - Samusik ...
Am Eingang herrschte reger Betrieb, vor allem Menschen begannen zu dieser Stunde ihren Arbeitstag. Frafa mischte sich unter sie, ließ sich mit der Menge treiben, lauschte den Fetzen der Gespräche um sie her.
»... habe ich die Nacht über dran gearbeitet. Wenn das die da oben nicht überzeugt, dann ...«
»... meinst du, wie lang dauert das noch mit der Bahnlinie? Es wird langsam teuer ...«
»... Veranstaltungshalle für Daugazburg. Ein Mordsding, und die Bausubstanz kriegen wir fast geschenkt.«
Die Pförtner wiesen Neuankömmlinge durch Schranken und kontrollierten Ausweise. Frafa überlegte kurz, ob sie sich anmelden sollte. Dann tastete sie einfach mit ihrer Essenz nach den Augen und nach dem Geist des nächsten Wachmanns. Nach außen, für alle sichtbar, lächelte sie, hob grüßend die Hand und ging ruhig an ihm vorbei. Der Portier blinzelte verwirrt und stand da mit versteinertem Gesicht, nur eine Sekunde lang. Dann schüttelte er den Kopf, so als wäre er eben erst aufgewacht.
Frafa war da schon auf halbem Weg zum Aufzug, ihre Gegenwart nicht mehr als ein undeutlicher Traum im Gedächtnis des Mannes.
Das oberste Stockwerk war gesichert, und zwei Menschen liefen herbei und traten in dieselbe Kabine. Frafa wartete, bis ihre Mitfahrer eine Etage gewählt hatten, dann drückte sie den Knopf darüber. Erst als sie allein im Aufzug war, konnte sie den Handflächenleser benutzen.
Es war ein techno-magisches Gerät, ein Aurenleser, wie Frafa gehofft hatte. Sie manipulierte ihre Aura und das Gerät, bis sie Zutritt zum Obergeschoss erhielt. Vier Etagen vor ihrem Ziel wurde sie dennoch zum Umsteigen gezwungen. Der Lift verweigerte die Weiterfahrt, und eine künstliche Stimme vom Band verkündete, dass dieser Schacht vorübergehend gesperrt war. Am empfohlenen Ausweichlift wartete Frafa eine gefühlte Ewigkeit auf die nächste Kabine, und noch länger, bis sie endlich allein war und ein zweites Mal das System umgehen konnte.
Frafa fluchte lautlos in sich hinein. Diese kleinlichen Ärgernisse bei alltäglichen Herausforderungen machten ihr nur umso mehr bewusst, was es bedeutete, wenn sie nun gegen Aldungan stand. Als sie, auf diese Weise abgelenkt, in der Vorhalle der Dachwohnung ankam, stand eine Nachtalbe im Morgenmantel vor der Tür des Aufzugs und empfing sie mit vorgehaltener Pistole.
Frafa blickte auf und erstarrte.
»Litiz«, sagte sie.
Litiz die Albe trug die Haare kurz geschoren, in schmalen, orange gefärbten Streifen, die längs über die dunkle Kopfhaut liefen und die an der Stirn in rötlich tätowierten Linien ausliefen. Sie war barfuß, aber der blausamtene Morgenmantel um ihren Leib wirkte so weich wie der Teppich in der Halle, und die zierliche Waffe in ihrer Hand sah aus wie ein Spielzeug.
»Frafa«, erwiderte Litiz. Sie verengte die Augen zu Schlitzen und musterte Frafa von oben bis unten. Ein harter Zug lag um ihre Lippen, und sie zögerte einen Augenblick, ehe sie die Pistole sinken ließ. Sie trat zur Seite und ließ Frafa vorbei.
»Schön, dass du mich erkennst.« Frafa blickte sich neugierig in der Halle um. »Ich war mir nicht sicher ...«
»Die große Frafa. Herrin der Grauen Lande. Wer kennt sie nicht?« Litiz' Stimme klang spöttisch.
»Kanzlerin von Falinga«, erwiderte Frafa. »Aber das ist lange her.«
Sie war jung gewesen, als sie Litiz kennengelernt hatte, viel zu jung, in den Tagen der Revolution. Wie zufällig hatte Litiz stets jene Etablissements geführt, in denen sich die revolutionären Nachtalben trafen. Eine Zeit lang waren sie und Frafa fast so etwas wie Freundinnen gewesen, auf eine oberflächliche Art, die sich auf die Besuche in Litiz' öffentlichen Räumlichkeiten beschränkte. Doch als die Revolution zu Ende ging, hatten sie einander aus den Augen verloren.
Litiz war ihrem Gewerbe treu geblieben. Sie hatte wie Frafa die Jahrhunderte überlebt und war reich geworden mit einem
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