Lichterfest
konnte, eine Verleumdungskampagne plante. Mein Freund José, ein Journalist und Fotograf, bekam einen anonymen Tipp. Gleichzeitig bezahlte man Antonia, die junge Frau auf den Fotos, dafür, Graf in aller Öffentlichkeit um den Hals zu fallen, was dann auf den Aufnahmen den gewünschten Effekt erzielte.«
Ich warf José, der mittlerweile an der Wand neben mir lehnte, einen Blick zu. »Doch als sich José, der sich die Fotos offenbar auch nicht allzu genau angesehen hatte, damit bei Blanchard als Reporter bewarb, erkannte der sofort die immense Bedrohung, die die Bilder nicht nur für die Wahl, sondern auch für seinen Plan darstellten. Vielleicht ist es seiner Nervosität zuzuschreiben, dass er die Bilder unachtsam auf seinem Schreibtisch liegen ließ, wo sie am nächsten Morgen zufälligerweise Rosie entdeckte. Als Blanchard den Verlust bemerkte, unterrichtete er Nyffenegger, der wohl ebenfalls etwas aus der Fassung geriet und eilig irgendjemand anheuerte, um bei Rosie einzubrechen, was leider misslang. Kurze Zeit später gelangte derselbe Jemand in Josés Wohnung, durchsuchte sie und entwendete alles, was irgendwie mit den Fotos zu tun hatte.
Ich habe heute Nachmittag ein nicht ganz einfaches Gespräch mit Blanchard geführt, in dessen Verlauf er mir meine Mutmaßungen widerwillig bestätigte. Ich musste ihn erst davon überzeugen, dass er nichts zu verlieren hat, denn der Vertrag ist unterzeichnet und legal. Im Grunde genommen hat er sich nichts zuschulden kommen lassen. Natürlich bat er mich darum, seinen Namen nicht zu erwähnen, aber wo kämen wir denn da hin, wenn sich jeder nach eigenem Gutdünken aus einer Mordgeschichte streichen lassen könnte.
Blanchard wusste anfänglich nichts vom gescheiterten Einbruch bei seiner Putzfrau ebenso wenig von dem bei José. Das hat Nyffenegger alleine und ohne Rücksprache eingefädelt. Auf eigene Faust heuerte derweil Blanchard einen Privatdetektiv an, der vordergründig nach Rosie, der Putzfrau, suchen sollte, dabei ging es natürlich einzig und allein um die Bilder. Dieser Privatdetektiv war ich. Gestatten, Vijay Kumar.«
Alice Graf nickte mir zu. »Sehr erfreut kann ich jetzt leider unmöglich sagen. Aber ich habe mich schon gefragt, wie Sie an all die Informationen kommen konnten.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Man tut sein Bestes. Aber eine der wichtigsten Informationsquellen in diesem Fall war Ihre Nachbarin Claire, die ihre Nachbarschaft von ihrem Fenster aus genau beobachtet. Ohne sie wäre ich nie auf die Lösung gestoßen.«
»Claire?« Alice Graf runzelte die Stirn. »Die steht tatsächlich immer am Fenster. Nie hätte ich gedacht, dass sie mich damit in Schwierigkeiten bringen würde.« Sie knüllte nachdenklich ein Papiertaschentuch in ihrer Faust zusammen. Dann hob sie den Kopf, ihr Blick war direkt auf mich gerichtet. »Als ich die Bilder sah, wurde ich so wütend, Sie können sich das gar nicht vorstellen. Nicht nur, dass er mich belogen und betrogen hatte, viel schlimmer: Er hatte seine Prinzipien verraten. Gerade er, der immer für eine freie Schweiz eingestanden war, ließ sich kaufen wie die hinterletzte …« Sie verzog angewidert das Gesicht und spuckte dem Satz das letzte Wort förmlich hinterher: »Hure!«
»Ich bitte Sie!« Empört richtete sich Miranda auf und funkelte die Frau an.
Einen Moment lang musterte Alice Graf ihr Gegenüber irritiert, dann begriff sie. »Entschuldigung, ich hab das nicht so gemeint.«
»Kein Problem, Schätzchen, ich hab schon Schlimmeres gehört.« Miranda lehnte sich wieder zurück, tätschelte Frau Grafs Hand und nuckelte besänftigt an ihrem Fläschchen.
»Er hat alles verraten, woran er einmal geglaubt hatte. Es ging ihm nur noch um die Macht, das Amt und seine politische Rehabilitierung nach dem vorangegangenen Debakel, überhaupt nicht mehr um das Land, nicht um die Leute und schon gar nicht um die viel beschworene Freiheit.« Sie wischte sich eine Träne ab. Ihre Stimme zitterte, als sie weitersprach: »Nachdem ich den Umschlag geöffnet und erkannt hatte, was auf den Fotos tatsächlich zu sehen war, rannte ich zu ihm. Er war gerade in der Küche und machte sich Kaffee. Als ich ihm die Bilder unter die Nase hielt, zuckte er zusammen. Einen Moment lang wirkte er zerknirscht. Das sei halt Politik, sagte er kleinlaut, so laufe das. Es tue ihm leid, er wisse, er hätte es mir längst sagen müssen. Seine unterwürfige Heuchelei machte mich nur noch wütender. Ich drohte ihm, mit der Partei darüber zu
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