Lichterfest
sogleich wieder, einmal mit einer dampfenden Teetasse, dann wieder mit leicht glänzendem Pergamin oder Luftpolsterfolie, um die Gemälde damit behutsam einzupacken. Sie arbeitete so konzentriert, dass sie uns auf der gegenüberliegenden Straßenseite bislang nicht entdeckt hatte.
Ich bot Antonia, die lässig neben mir an der Hauswand lehnte, eine Zigarette an und steckte mir dann selbst eine zwischen die Lippen. Später Vormittag auf der Langstrasse, das Leben kam nur schwerfällig in die Gänge. Noch herrschte kaum Verkehr. Dunkel die Klubs und Bars, ihre Fassaden, verschwanden sie nicht bereits hinter Baugerüsten, wirkten bei Tageslicht staubig und trostlos, verwaist die Restaurants, beinahe menschenleer die Querstraßen. Benutzt wirkte das Quartier und unglamourös. Postapokalyptisch.
Es war kühl. Ich schlug den Kragen meines Mantels hoch und zündete meine Fluppe an.
»Da ist sie«, flüsterte Antonia, die mich vor einer knappen Stunde mit nervtötendem Klingeln aus dem Haus geholt hatte, und stieß mich in die Seite. Ich spähte zur Galerie hinüber und sah Eleonora auf ihre Mitarbeiterin einreden, die soeben aus dem hinteren Raum getreten war. Sie hatte kurz geschnittenes Haar, trug einen Hosenanzug in einer für mich unmöglich zu bestimmenden Farbe und flache, praktische Schuhe. Fade wirkte sie und unauffällig. Eine Frau, die wohl nicht nur Antonia als uncool beschrieben hätte.
Irma hatte Eleonora sie bei meinem ersten Besuch in der Galerie genannt, glaubte ich mich zu erinnern.
»Bist du dir sicher?«
Antonia nickte eifrig. »Ich habe sie zufällig beim Vorbeigehen entdeckt und gleich wiedererkannt. Sie war es, die mich vor das Restaurant geschickt hat, um den alten Sack zu küssen.«
Dass Antonia Graf um den Hals fiel und zufälligerweise ein Fotograf zugegen war, war sicher nicht Irmas alleinige Idee gewesen.
Ich sah Eleonora deutlich vor mir, wie wütend sie an jenem Abend auf Graf gewesen war. Wie sie mit geballten Fäusten gefordert hatte, dass jemand seine Wahl zum Stadtpräsidenten verhindern müsse. Da hatte ich noch nicht ahnen können, dass sie sich selbst damit meinte und die Verleumdungskampagne bereits angeleiert war. Nur kam dann alles ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte.
Jetzt hatte Eleonora mich entdeckt. Sie trat nah an die Scheibe heran und strahlte übers ganze Gesicht, aufgeregt winkend bedeutete sie mir herüberzukommen. Ich hob abwehrend die Hand. Nur zu unangenehm hatte ich ihr schroffes Verhalten Manju gegenüber und das exaltierte Getue bei der Vernissage noch im Gedächtnis.
Wahrscheinlich ahnte sie noch nicht mal, dass sie sich mit ihrer hinterhältigen Aktion mitschuldig an Grafs Tod gemacht hatte. Schließlich waren die Fotos auf ihre Anweisung hin entstanden, auch wenn sie natürlich nicht hatte voraussehen können, wie brisant die Fotos durch Grafs prominente Begleitung wirklich werden würden. Und während ich die Perla-Mode mit der jetzt etwas irritiert wirkenden Eleonora hinter mir ließ und von Antonia begleitet auf die Bushaltestelle zuschritt, entschied ich, dass sie und ihre Assistentin das auch nicht zu wissen brauchten.
»Was jetzt?« Antonia kaute bereits wieder auf einem Kaugummi herum, während ich nachsah, wann der nächste Bus fuhr.
»Hast du heute eigentlich keine Schule?«
Sie hustete demonstrativ. »Hörst du nicht, ich bin krank.«
»Dann wäre ein Besuch im Spital genau das Richtige.«
»Du gehst zu Fernando?« Sie wich zurück.
»Komm mit, wenn du magst.«
Der Bus fuhr heran und senkte sich seitlich zu uns hin, bevor die Türen aufsprangen. Ich stieg ein und sah Antonia fragend an. Mit schräg gelegtem Kopf und angestrengt mit den Kiefern malmend, war sie draußen stehen geblieben, doch dann gab sie sich einen Ruck.
»Weißt du, Spital ist nicht so mein Ding«, flüsterte sie mir zu, als der Bus anfuhr.
»Meins auch nicht.«
Sie lächelte erleichtert.
»Hast du einen Fahrschein?«
Ihr Lächeln versiegte und sie sah mich an, als wäre ich etwas zurückgeblieben.
Dr. Biasi ging mit eiligen Schritten vor uns her durch einen schier unendlichen Korridor. »Hier ist gerade ziemlich was los«, ließ er uns in gehetztem Ton über die Schulter hinweg wissen.
»Wir finden das auch allein.«
»Er hat bereits Besuch«, gab er zu bedenken.
»Meine Mutter und meine Tante sind andauernd bei ihm«, beschwichtigte ihn Antonia.
»Die sind vor etwa einer Stunde gegangen.«
»Hm. Wusste ich nicht.«
Antonia wirkte nervös,
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